Fragen und Antworten zum Thema Bibel

  • 1. Wie sollen wir die Bibel lesen

    In der Heiligen Schrift spricht uns Gott in «Menschenworten» an. Gott möchte uns in der Bibel als «personales Gegenüber» begegnen.

    Das Kennen- und Entdecken lernen der Heiligen Schrift ist vergleichbar mit dem Kennenlernen eines Menschen. Wenn wir mit jemandem ein Stück unseres Lebens teilen, lernen wir diese Person durch Gespräche und in Begegnungen immer besser kennen. Wir entdecken ihren Charakter, ihre Eigenheiten und bekommen Einblick in ihre Lebensgeschichte. Vielleicht gibt es dabei auch Dinge, die wir nicht immer sofort begreifen.

    Der Bibelleser geht einen ähnlichen Weg des Sich-Einfühlens in sein Gegenüber. Es ist wichtig, sich von der Bibel ansprechen, trösten, ermahnen, ja gar herausfordern und in Frage stellen zu lassen. Die Bibel kann sich nur denen in ihrer ganzen Fülle eröffnen, die sich auf sie einlassen. Erst im Sich-Einlassen auf die Bibel und im bewussten Leben mit der Heiligen Schrift begegnet man Gott persönlich.

    Die Bibel als Glaubensbuch der Kirche hat immer (auch) eine gemeinschaftsbezogene Dimension. Deshalb ergänzen sich persönliches Bibellesen und gemeinschaftliches Hören und Austauschen des Wortes Gottes. In der Gemeinschaft wirkt der Heilige Geist oft in besonderer Weise; insbesondere auch im gegenseitigen Bezeugen dessen, was Gottes Wort im (eigenen) Leben bewirkt hat. Wer mit der Kirche lebt, darf darauf vertrauen, dass er – aufs Ganze gesehen – im Verständnis der Bibel nicht in die Irre geht.
    Sowohl beim persönlichen, wie gemeinschaftlichen Hören der Bibel ist die «Brille des Herzens» entscheidend. Wenn jemand mit der «Brille der Angst» die Bibel liest, findet er fast in allen Texten etwas, was seine Angst verstärken kann. Irgend ein «Wenn» oder «Aber» ist überall zu finden.

    Wer mit der «Brille des Vertrauens» in die Liebe Gottes die Bibel liest, weiss: Gott will uns durch Sein Wort zum Leben, zur Entfaltung, zur Freude verhelfen. Seine Worte – auch wenn sie streng oder gar als hart erscheinen –, sind stets Worte, die aus einem liebenden Herzen kommen. Seine Worte wollen Hoffnung geben, Leben wecken und Zukunft eröffnen. In dieser Haltung wird ein Mensch in allen Texten der Bibel die Liebe Gottes herausspüren und annehmen.

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  • 2. Wie können wir mit unverständlichen Texten in der Bibel umgehen?

    Es ist hilfreich, uns selber vom Druck des «Alles-verstehen-Müssens» zu befreien. Vieles darf unverständlich bleiben und manches bleibt sogar für Theologen unklar.

    Wichtig ist, nach dem Sinn des Textes zu suchen und das, was wir nicht verstehen, loszulassen. Wenn wir uns in unverstandenen Fragen verkrampfen, blockieren wir uns selbst. Widersprüche lassen sich meist erst in einer anderen Dimension, das heisst auf einer neuen Bewusstseinsebene lösen.

    Die Gottesmutter Maria kann uns hier einen guten Weg zeigen. Auch sie hat so manches nicht verstanden – Lukas beschreibt, wie sie darauf reagierte: «Maria aber bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach» (Lk 2,19). Und zwölf Jahre später: «Doch sie (Maria und Josef) verstanden nicht, was er damit sagen wollte. Dann kehrte er mit ihnen nach Nazaret zurück und war ihnen gehorsam. Seine Mutter bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen» (Lk 2,50-51). Maria bewahrte, verdrängte nichts. Im Bewahren und Nachdenken, kann dann – oft überraschend – Gottes Licht in eine bisher nicht verstandene Situation kommen.

    Es gibt einen Tag, da werden alle Widersprüche und quälenden Fragen gelöst. Wenn Jesus in Herrlichkeit wiederkommt und Sein Licht uns durchdringt, «dann wird euer Herz sich freuen, und niemand nimmt euch eure Freude. An jenem Tag werdet ihr mich nichts mehr fragen» (Joh 16,22b-23a).

    Wir dürfen vertrauen, dass der Heilige Geist alles, was Er uns sagen will, so sagt, dass wir es verstehen können. Dabei kann es uns wie Mark Twain gehen: «Mir bereiten nicht die unverständlichen Bibelstellen Bauchweh, sondern diejenigen, die ich verstehe.» Frère Roger Schütz ermutigt: «Lebe das, was du vom Evangelium begriffen hast, und sei es noch so wenig.»

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  • 3. Wie zuverlässig sind die Texte der Bibel überliefert?

    Aufgrund der wissenschaftlichen Textkritik gilt die Bibel von allen Schriften aus der Antike als das mit grossem Abstand am besten überlieferte Buch. Funde von biblischen Texten aus den ersten Jahrhunderten zeigen, dass die Texte sich nicht mehr verändert haben. So wurde 1947 in Qumran am Toten Meer eine Rolle mit dem Buch Jesaja gefunden, die aus dem 2. Jh. v. Chr. stammt.Sie zeigt genau denselben Text, den wir auch heute kennen. 

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  • 4. Wie kommt es zur heutigen Bibelfolge der neutestamentlichen Schriften in der Bibel?

    Die 27 Schriften des neutestamentlichen Kanons werden eingeteilt in: 5 erzählende Schriften (4 Evangelien und Apostelgeschichte), 21 Briefe (14 Paulus-Briefe und 7 sogenannte Katholische Briefe) sowie 1 prophetisch-apokalyptisches Buch (Offenbarung).

    Die heutige Reihenfolge geht auf Erasmus von Rotterdam (1469 – 1536) zurück, der diese Anordnung seiner Erstausgabe des gedruckten griechischen Neuen Testamentes vom 1. März 1516 zugrunde legte. In einigen evangelischen Bibeln gibt es in der Reihenfolge Unterschiede, weil diese der alten Luther-Bibel folgen. Diese stellte die als zweitrangig beurteilten Schriften (Hebräer-, Jakobus-, Judasbrief und Offenbarung) ohne Nummerierung an den Schluss.

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  • 5. Was bedeutet es, auf die literarische Gattung Rücksicht zu nehmen?

    Die Texte der Bibel sind «echte Literatur» und sie haben unterschiedliche literarische Formen: Sie sind Berichte, Gedichte, Gesetzes-Sammlungen, Gleichnisse, Gebete, usw. So muss man ein Gleichnis als Gleichnis, ein Gedicht als Gedicht, ein Gebet als Gebet verstehen usw.

    Weil man früher diese verschiedenen literarischen Formen nicht beachtet hatte, verstand man die Bibel einfach nur als «biblische Geschichte», als Geschichtsschreibung im zeitgemässen Sinn, das heisst als Tatsachenberichterstattung. Im Verständnis der Schöpfungsberichte hatte dies zu schweren Missverständnissen geführt.

    Betrachten wir zum Beispiel eine prophetische Drohrede: «Hört dieses Wort, ihr vom Haus Israel, hört die Totenklage, die ich über euch anstimme: Gefallen ist sie und steht nicht mehr auf, die Jungfrau Israel; sie liegt zerschmettert am Boden in ihrem Land, und niemand richtet sie auf. Denn so spricht Gott, der Herr: In die Stadt, aus der tausend Männer auszogen, kehren nur hundert zurück, und wo hundert auszogen, kehren nur zehn zurück. Ja, so spricht der Herr zum Haus Israel: Sucht mich, dann werdet ihr leben» (Am 5,1-4).
    Diese prophetische Drohrede handelt nicht von der Vorhersage einer Katastrophe, sondern will eine Warnung sein: «Wenn ihr euch nicht ändert, dann...». Wenn man der literarischen Form der prophetischen Drohrede nicht Rechnung trägt, gelangt man zu einer falschen Auffassung des Prophetentums: Propheten waren nicht in erster Linie Vorhersager der Zukunft, sondern Verkünder von Gottes Wille in die Gegenwart hinein. Sie waren nicht so sehr an kommenden Dingen interessiert, vielmehr war ihnen die aktuelle Bekehrung der Landsleute wichtig, weil eine Umkehr Auswirkungen auf die Zukunft hatte.

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  • 6. Gibt es Konflikte zwischen der Bibel und den Naturwissenschaften?

    Die Offenbarung Gottes geschieht im «Kleid» der jeweiligen Zeit. Kleider kann man wechseln. Die Offenbarung Gottes, wie sie in der Bibel festgehalten ist, zeigt sich im Kleid der Antike. Doch das antike Weltbild ist durch naturwissenschaftliche Erkenntnisse überholt. Wir erkennen heute viele Naturzusammenhänge besser.

    Die biblische Vorstellung vom Bau der Welt und des Universums kann daher nicht mehr als reale Beschreibung gesehen werden. Das bezeugt auch das Zweite Vatikanische Konzil: «Obgleich diese Bücher auch Unvollkommenes und Zeitbedingtes enthalten, zeigen sie doch eine wahre göttliche Erziehungskunst. Ein lebendiger Sinn für Gott drückt sich in ihnen aus» (Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung, Nr. 15).

    Zeitbedingtes dürfen wir also loslassen. Ohne Irrtum ist die Bibel jedoch in einer viel wichtigeren Frage, nämlich in der Heilsfrage. «Denn es ist von den Büchern der Schrift zu bekennen, dass sie sicher, getreu und ohne Irrtum die Wahrheit lehren, die Gott um unseres Heiles willen in heiligen Schriften aufgezeichnet haben wollte» (Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung, Nr. 11).

    Der Bibel geht es um das Heil und damit um den Sinn. Sie will nicht wissenschaftlich über den Aufbau oder das Funktionieren der Erde und des Alls berichten. Sie will demnach weniger auf das «Wie» antworten. In der Bibel geht es vielmehr um das Heil, nicht um Naturwissenschaft. Naturwissenschaft und Offenbarung mit ihren eigenen Grenzen, richtig verstanden, widersprechen sich nicht, sondern ergänzen sich.

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  • 7. Was ist mit Fundamentalismus beim Lesen der Bibel gemeint?

    Fundament heisst einen Boden haben, worauf wir unser Leben bauen können. Unser stärkstes und tiefstes Fundament ist das Geheimnis Gottes, das uns ins Leben gerufen hat, uns begleitet und uns Zukunft eröffnet. Der Boden, der uns nährt und trägt, besteht in einer lebendigen Gottesbeziehung. Sie gibt uns Glaubensgewissheit und Geborgenheit.

    Fundamentalismus heisst, diesen Boden nicht in der Beziehung zum lebendigen Gott, sondern in Wörtern, Theorien und Lehren zu suchen. Fundamentalisten vertrauen biblischen Wörtern, Dogmen und heiligen Strukturen. Sie halten sich ganz fest daran, weil sie daraus ihren Halt beziehen. Biblischer Fundamentalismus meint meist das Festhalten an der wortwörtlichen Überlieferung der Bibel und die damit verbundene Geisteshaltung.

    Es gibt verschiedenste Formen von Fundamentalismen. Doch grundsätzlich können wir sagen: Der Fundamentalismus widerspricht dem Geist der Bibel wie auch dem Geiste Jesu. Denn unser Glaube hängt nicht an den einzelnen Worten der Bibel, sondern er beruft sich auf eine Person, auf Gott. Weiter führt das Festhalten an einer nur wörtlichen Interpretation der Bibel unausweichlich in Sackgassen und endet im starren und engstirnigen Umgang mit der Bibel.
    Hier gilt das Wort des heiligen Paulus: «Der Buchstabe tötet, der Geist aber macht lebendig» (2 Kor 3,6). Der Geist zeigt den Sinn, der in den Worthülsen steckt und führt so zum richtigen Verständnis in der Schrift. Er bewegt Glauben und Verstand, den ganzen Menschen. Es ist der Geist, der vermeiden möchte, dass am äusseren Wort festgehalten und dieses fundamentalistisch und absolut gesetzt wird.

    Bin ich ein Fundamentalist? Hänge ich an Wörtern oder am Sinn der Aussagen? Geht es mir um das Rechthaben und Festhalten bestimmter Vorstellungen oder geht es mir um die Verankerung im liebenden Du Gottes, um eine persönliche und lebendige Beziehung zu Ihm?
    Fundamentalisten neigen zur Rechthaberei. Sie wollen Sicherheit. Ihnen fehlt oft das Vertrauen ins Leben, in Gott und ins Wirken des Heiligen Geistes. Demzufolge wollen sie den Glauben im Griff haben; obwohl Glauben genau das Gegenteil meint, nämlich nichts in der Hand haben und sich vom Geheimnis Gottes mehr und mehr ergreifen lassen.

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  • 8. Warum gibt es Widersprüchliches in der Bibel, Aussagen, die nicht zusammenpassen?

    Widersprüchliche Aussagen können mehrere Gründe haben. Einmal geht durch die ganze Bibel, besonders durch das Alte Testament, eine Entwicklung. In jeder Entwicklung gibt es Wachstumsstufen. Nehmen wir den Vergleich mit einer Treppe: Wenn wir auf der fünften Stufe stehen, sind die unteren vier nicht mehr wichtig. Aber jede Stufe war einmal wichtig, war eine bedeutende Etappe. So gibt es in sehr vielen Fragen der Bibel Entwicklungsstufen. Widersprüchliche Aussagen können mit solchen Wachstumsstufen in Verbindung stehen. Damit nun aber die Stufen nicht verwechselt werden, braucht es entsprechendes Hintergrundwissen. Bei vielen Texten muss man wissen, in welcher Situation und in welcher Absicht sie geschrieben wurden.

    Ein weiterer Grund für widersprüchliche Aussagen kann damit zusammenhängen, dass wir heute – geprägt von der Naturwissenschaft des 19. und 20. Jahrhunderts – naturwissenschaftlich denken. Die Geschichtswissenschaft zum Beispiel fragt: Wie war es genau? Was hat sich damals ereignet? Gerade auf diese Fragen will uns die Bibel in den meisten Fällen keine Auskunft geben. Ihr und ihren Verfassern geht es nicht um wissenschaftliche Wissensvermittlung, sondern um Heilswissen, um Glaubenszeugnisse, um (Lebens-)Weisheit. Ihnen geht es nicht um das «Wie», nicht um die historischen Begründungen, sondern um den Sinn, um die Botschaft und um das Geheimnis des liebenden Gottes.

    Zwei Beispiele:
    1. Die Schöpfung: In Genesis 1 lesen wir vom Sechs-Tage-Werk und in Genesis 2 vom Paradies. Fragen wir: Welche von beiden Darstellungen stimmt historisch? So können wir streiten und dabei den Sinn und die liebende Botschaft, die dahinter stehen, verfehlen. In beiden Texten ist mehr Heilswissen enthalten, als ein Geschichtstext geben kann.

    2. Die Schächer am Kreuz: Bei Markus lesen wir, dass beide Schächer am Kreuz Jesus verspottet haben. «Auch die beiden Männer, die mit ihm zusammen gekreuzigt wurden, beschimpften ihn»(Mk 15,32b). Bei Lukas spottet nur einer. Der andere sagt: «Nicht einmal du fürchtest Gott? Dich hat doch das gleiche Urteil getroffen. Uns geschieht Recht, wir erhalten den Lohn für unsere Taten; dieser aber hat nichts Unrechtes getan. Dann sagte er: Jesus, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst. Jesus antwortete ihm: Amen, ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein» (Lk 23,40-43).

    Was stimmt? Lügt einer? Historisch gesehen kann vielleicht eher die Markusversion stimmen. Aber vom Herzen Gottes her ist die Version des Lukas wichtig. Der Sinn der Aussage von Lukas ist klar: Auch wenn einer nach einem völlig verpfuschten Leben sich in der letzten Stunde bekehrt und an Jesus wendet, so erhält er Vergebung und wird von Gott an- und aufgenommen. So gross ist das Herz Gottes! Würden wir diesen Text nur historisch lesen und verstehen, so käme diese grossartige Botschaft Gottes nie ans Licht.
    Der Bibel geht es um den Sinn der Aussage. Nicht der Buchstabe, der Sinn ist inspiriert und somit Wort des Leben spendenden Gottes.

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  • 9. Darf man einzelne Worte oder Sätze aus der Bibel absolut setzen und sagen: «Hier steht es, so ist es!»

    Einzelne Worte und Abschnitte der Bibel geben uns eine Glaubensbotschaft und sind Wort Gottes an uns. Immer müssen sie aber im gesamten Textzusammenhang gesehen werden. Erst wenn sie in den richtigen Zusammenhang gestellt werden, erhalten sie von daher auch ihren genauen und korrekten Sinn.

    Dazu ein Beispiel: Wenn eine Ehefrau in einer intimen Stunde zu ihrem Mann sagt: «Du, ich liebe dich über alles und möchte deine Nähe immer spüren». Wenn wir nun denselben Satz nehmen, ändern aber die Personen, dann würde etwas nicht mehr stimmen. Daraus wird deutlich: Die Situation und der Zusammenhang deuten eine Aussage erst richtig.
    Wenn also Bibelstellen aus dem Zusammenhang genommen werden, ist die Gefahr gross, dass diese Worte oder Texte sinnwidrig, also nicht im Sinn der ursprünglichen Aussage verwendet werden. Wer Sätze aus dem Zusammenhang reisst, kann mit der Bibel fast alles beweisen. So steht z. B. in der Bibel: «Es gibt keinen Gott». Das tönt völlig überraschend und befremdend. Der ganze Text lautet jedoch so: «Die Toren sagen in ihrem Herzen: ‚Es gibt keinen Gott’» (Ps 53,2).

    Ein weiteres Beispiel: Jesus wurde in der Wüste vom Teufel mit verschiedenen Bibelzitaten versucht. Es waren Worte, die aus dem Zusammenhang gerissen und in einer anderen Situation sinnwidrig eingesetzt wurden. Nicht zu Unrecht wird der Teufel «Diabolos» (griech.), das heisst «Durcheinanderwerfer», genannt. Er, der Vertuscher, Widersacher und Lügner kennt und missbraucht die Bibel. So kann die Bibel (auch heute) für vieles missbraucht werden. So können selbst mit Jesu Worten Menschen entmutigt, in die Enge getrieben, Depressionen ausgelöst werden und damit wird genau das Gegenteil von dem bewirkt, was die Absicht Jesu ist.

    Der Franziskanerpater Richard Rohr bringt es auf den Punkt: «Es ist wichtig zu beachten, dass kein einzelner Abschnitt der Bibel isoliert vom Rest betrachtet werden kann. In gewissem Sinn waren die ersten Bücher der Bibel nicht wirklich vollendet, bis das letzte Buch geschrieben war. Jedes Buch der Bibel muss im Kontext mit allen anderen gelesen werden, damit man es recht versteht. Missachten wir das, verfallen wir unausweichlich dem Fundamentalismus, jener Unsitte, sich zu sehr auf Einzelzitate oder isolierte Verse zu stützen. Wenn wir nur nach bestimmten Formulierungen Ausschau halten, können wir tatsächlich aus der Bibel alles beweisen, was wir wollen. Um einzelne Zitate angemessen einordnen und auslegen zu können, muss man die Gesamttendenz der Bibel kennen und verstehen. Deshalb ist es so wichtig, sich mit dem Anliegen dieses Buches anzufreunden, um die grossen biblischen Dinge kennenzulernen, in denen alles zusammenfliesst.

    Wenn wir die Gesamtsicht im Blick haben und in diesen persönlichen Dialog einsteigen, erleben wir die Kraft des Wortes Gottes».

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  • 10. In welcher Beziehung stehen Erstes (Altes) und Neues Testament?

    Neue Testament die Erfüllung ist. Vieles, was im Ersten (Alten) Testament als Bild und erste Erfahrung geschenkt wurde, erfüllt sich im Neuen Testament. So wurde im Ersten (Alten) Testament der Messias angekündigt, im Neuen Testament erfüllte sich diese Verheissung. 
    Das Erste (Alte) Testament ist das Buch der jüdischen Glaubensgemeinschaft. Auch das Neue Testament ist ganz vom jüdischen Glauben geprägt, denn Jesus war Jude. Er ging in den Tempel in Jerusalem und versuchte, das «Gesetz» Seiner Zeit und Seinem Verhältnis zu Gott entsprechend zu leben. Auch die Apostel und Maria gehörten zum jüdischen Volk. Zudem waren viele der ersten Christen selbst Juden oder dem Judentum nahe stehende Heiden, das heisst «Gottesfürchtige». 
    Damit wir die Denkweise der Juden, deren Glauben, ihre Feste und Bräuche verstehen und besser erfassen können ist es wichtig, dass wir uns mit den biblischen Texten des Ersten Testamentes auseinander setzen. Denn nur aus den Texten des Ersten Testamentes können das Handeln Jesu und das ganze Neue Testament richtig verstanden werden. 

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  • 11. Warum sprechen mich die einen Worte an und die anderen nicht?

    Die griechische Sprache kennt eine Unterscheidung, die wir im Deutschen nicht haben. Für den deutschen Begriff – «Wort Gottes» – kennt die griechische Sprache zwei verschiedene Wörter, nämlich «Logos» und «Rhema». Beide Begriffe werden im Neuen Testament für das «Wort Gottes» verwendet. Die griechische Unterscheidung von «Logos» und «Rhema» gibt auf diese Frage eine Antwort.

    Gottes Wort spricht den Menschen in einem allgemeinen Sinn (Logos) an. Der Logos verkündet bleibende Wahrheit für alle. Er will aber unter der stets wirkenden Kraft des Heiligen Geistes auch zur persönlichen Botschaft an jeden einzelnen Menschen, in einer ganz bestimmten Situation werden (Rhema).
    Das Wort Gottes als Rhema gilt nicht für jeden Menschen, sondern ist etwas ganz Persönliches. Es stimmt für eine konkrete Situation und wird mit der Zeit wieder zurücktreten und einem anderen Rhema Platz machen. Das Rhema ist eine Botschaft aus der Bibel, das Menschen (unerwartet) anspricht und herausfordert, es ist der in eine bestimmte Situation hinein aktualisierte Logos. Im Meditieren und im betenden Lesen der Schrift eröffnet sich dem Glaubenden dieses Rhema.

    Dazu zwei Beispiele: Jesus kündigt Petrus an, dass dieser Ihn verleugnen werde: «Amen, ich sage dir: In dieser Nacht, noch ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen. Da sagte Petrus zu ihm: Und wenn ich mit dir sterben müsste – ich werde dich nie verleugnen» (Mt 26,34-35). Da ist dieses Wort für Petrus noch Logos.

    Doch kurze Zeit später, als nach der dreimaligen Verleugnung der Hahn kräht, da erinnert sich Petrus an dieses Wort Jesu. Es trifft ihn bis ins Innerste: «Und er ging hinaus und weinte bitterlich» (Mt 26,75). Da ist dieses Wort Rhema geworden.

    Im Jahre 1209 hörte Franz von Assisi in einer Kirche folgende Bibelstelle: «Geht und verkündet: Das Himmelreich ist nahe. Heilt Kranke, weckt Tote auf, macht Aussätzige rein, treibt Dämonen aus! Umsonst habt ihr empfangen, umsonst sollt ihr geben. Steckt nicht Gold, Silber und Kupfermünzen in euren Gürtel. Nehmt keine Vorratstasche mit auf den Weg, kein zweites Hemd, keine Schuhe, keinen Wanderstab ...» (Mt 10,7-10a).

    Diese Worte Jesu bei der Aussendung der Jünger mag Franz schon oft gehört haben. Ihren Sinn, den Logos, hat er schon immer eingesehen. Als er aber diese Worte an diesem Tag hörte, schlugen sie bei ihm ein wie ein Blitz, und er verstand, dass er sie nun sofort in sein Leben umzusetzen hatte. Das Wort Gottes war für ihn zum Rhema geworden. Er liess sich die Bibeltexte nach dem Gottesdienst nochmals erklären und begann danach, aus der Kraft dieser Worte zu leben.

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  • 12. Legt Gott nicht Menschen «gnadenlos» fest?

    Im Zusammenhang mit dem Auszug der Israeliten aus Ägypten lesen wir oft: «Aber der Herr verhärtete das Herz des Pharao, so dass er die Israeliten nicht aus seinem Land fortziehen ließ» (Ex 11,10b). «Ich aber will das Herz der Ägypter verhärten» (Ex 14,17a). Ähnliches sagt Jesus auf die Frage der Jünger, warum Er in Gleichnissen zum Volk rede. Er zitiert den Propheten Jesaja: «... denen aber, die draussen sind, wird alles in Gleichnissen gesagt; denn sehen sollen sie, sehen, aber nicht erkennen; hören sollen sie, hören, aber nicht verstehen, damit sie sich nicht bekehren und ihnen nicht vergeben wird» (Mk 4,11b-12). Diese drei Texte könnten so verstanden werden, dass Gott selber das Unheil inszeniert. Und wenn Gott selber die Herzen verhärtet und bewirkt, dass die Menschen nicht verstehen, was kann dann der Mensch dafür?

    Auch hier gilt es, die Bibel richtig zu verstehen. Das meiste in der Bibel ist eine gläubige Deutung von Ereignissen. Da kommt es wesentlich auf das Deutungsmuster an. Am Anfang hatten die Israeliten nur ein Deutungsmuster: Gott bewirkt alles. Wenn nun die Erfahrung gezeigt hat, dass der Pharao sein Herz verschliesst, und wenn Gott alles bewirkt, dann «muss» es Gott getan haben. Oder – wenn das Volk die rettende Botschaft nicht annimmt, dann «muss» Gott dies bewirkt haben.

    Doch dieses Deutungsmuster ist überholt. Das Neue Testament redet von einem Gott, der die Liebe ist und dem nichts Negatives anhaftet. Es zeigt einen Gott, der die Menschen vollumfänglich respektiert und frei lässt. Es spricht aber auch von negativen Geisteskräften, die auf die Menschen einwirken. Und heute wissen wir, dass viele Prägungen der Kindheit grosse Auswirkungen aufs Leben haben können. So würden wir aus unserer heutigen gläubigen Sicht, das heisst mit unseren heutigen Deutungsmustern, dieselben Ereignisse anders, viel differenzierter deuten. Die damalige Deutung geschah eben auf einer ersten, früheren Wachstumsstufe.

    Wir können sagen: Bei Gott gibt es keine Vorausfestlegungen. Die Zukunft ist immer offen. Der Mensch ist frei so oder anders zu entscheiden. Von unseren Entscheidungen hängt Heil oder Unheil ab: «Hiermit lege ich dir heute das Leben und das Glück, den Tod und das Unglück vor» (Dtn 30,15). «Wähle also das Leben ...» (Dtn 30,19b). Wähle, du bist frei, aber bedenke die Folgen!

    Genau dies ist der Inhalt vieler Mahn- und Drohworte in der Bibel. Sie erinnern uns an unsere Verantwortung. Es gilt, diese Verantwortung wahrzunehmen. Gott respektiert unsere Entscheidungen und geht auf sie ein. Wir allein wählen letztlich Leben und Glück oder Tod und Unglück. Viele Drohworte in der Bibel sind als Aufruf an unsere Verantwortung ernst zu nehmen.

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  • 13. Wie bringe ich den zornigen Gott mit der Güte Jesu in Einklang?

    Die Sprache ist lebendig, sie entwickelt und verändert sich immer. Nicht nur die Rechtschreibung verändert sich in der Zeit, auch Worte und Begriffe gehen verloren und neue entstehen. Oft ändert sich auch der Sinn eines Wortes. So war beispielsweise «Weib» früher ein wertneutrales Wort für das heutige «Frau». Im jetzigen Sprachgebrauch verwenden wir «Weib» als Schimpfwort mit negativer Beurteilung. Solche oder ähnliche Sinn-Veränderungen müssen wir auch beim Lesen der Bibel beachten.

    Ein oft falsch verstandener Ausdruck der Bibel ist «Zorn Gottes». Im heutigen Sprachgebrauch bedeutet «Zorn» eine starke, tief sitzende, persönliche Gefühlsregung. Der Zorn zeigt sich meist als eine übermässige und unbändige Wut, neigt zur Rache und Vergeltung und hat somit nichts mit Gerechtigkeit zu tun.

    Der Zorn und die daraus mögliche Strafe Gottes, wie er im Alten und im Neuen Testament beschrieben ist, meint aber in der Regel etwas ganz anderes. Ein Beispiel: Ein Kind entwendet eine Tafel Schokolade. Die Folgen sind ein schlechtes Gewissen und Angst. Das Kind kann der Mutter nicht mehr in die Augen schauen. Diese negativen Folgen des menschlichen Handelns, das schlechte Gewissen, die Ängste, nennt die Bibel meist «Zorn und Strafe Gottes». Entdeckt in unserem Beispiel die Mutter das Handeln des Kindes, wird sie zornig, beschimpft und schlägt es zur Strafe. So aber ist der wahre Gott nicht!

    Wenn die Menschen nicht auf Gott hören, zeigt sich der «Zorn» und die «Strafe» Gottes in der Heiligen Schrift oft so, dass Gott die Menschen sich selbst überlässt, dass Er sie machen lässt, was sie wollen. «Da überliess ich sie ihrem verstockten Herzen, und sie handelten nach ihren eigenen Plänen» (Ps 81,13). Dies zeigt, wie Gott den Menschen in seiner Freiheit ernst nimmt, auch dann, wenn er sich von Gott abwendet. Gott lässt den Menschen den Weg des verstockten Herzens gehen.

    Weil der Mensch Böses in sich trägt und weil viel Böses in der Welt ist, verfällt er immer wieder dem Bösen. Die Folgen daraus sind all das Negative und das Traurige, wie Streit, Krieg, Hass, böse Worte, Unzufriedenheit, Ablehnung usw., das wir täglich erleben und erfahren.

    In diesem Sinn spricht auch Paulus vom «Zorn Gottes» (Röm 1,18). Weil die Menschen Gott und Seine Weisungen nicht annehmen, überlässt Er sie den negativen Folgen ihrer verkehrten Taten. «Darum lieferte Gott sie durch die Begierden ihres Herzens der Unreinheit aus» (Röm 1,24). «Darum lieferte sie Gott entehrenden Leidenschaften aus» (Röm 1,26). «Da sie sich weigerten, Gott anzuerkennen, lieferte Gott sie einem verworfenen Denken aus» (Röm 1,28). Die negativen Folgen der Gottlosigkeit nennt Paulus «Strafe Gottes».

    Eine weitere Deutung des «Zornes» Gottes: Zorn als göttliche Liebesenergie wendet sich gegen Böses, Gemeines, gegen Heuchelei, Ungerechtigkeit, gegen Leben Zerstörendes, Sünde, usw... Gott ist mit aller Energie gegen das, was den Menschen kaputt macht, entwürdigt, unfrei macht, was wahre Liebe und Freude zerstört. Solcher Zorn ist gleichsam die Kehrseite der Liebe Gottes zu den Menschen. Wir können sagen, weil Gott die Menschen so sehr liebt, hasst Er alles, was den Menschen und die Schöpfung zerstört.
    Diesen «heiligen» Zorn kennen alle Liebenden. Eltern werden «zornig» wenn ihr Kind missbraucht und gequält wird.

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  • 14. In der Bibel steht als zweites der zehn Gebote «Du sollst dir kein Gottesbild machen und keine Darstellung von irgendetwas am Himmel droben noch auf der Erde» und dabei haben wir in unseren Kirchen viele Bilder. Wie ist das zu verstehen?

    Bei allen Texten der Bibel ist es hilfreich, nach dem «Sitz im Leben» zu fragen. Der «Sitz im Leben» geht der ursprünglichen Bedeutung des Textes nach, wo ist der Text entstanden, wer hat ihn erzählt und wie wurde er im Ursprung verwendet? Hier lautet deshalb die Frage: In welcher Situation ist dieses Gebot ursprünglich hineingesprochen? Was bedeutete dieses Gebot damals? Welchen Sinn hatte dieses Gebot?

    Als die Israeliten nach ihrem Auszug aus Ägypten nach Kanaan kamen, sahen sie, dass die Bewohner Götterbilder hatten und Geschaffenes als göttlich verehrten. Dieser Götzenkult war für sie neu und übte eine grosse Anziehungskraft auf sie aus. Dies nicht zuletzt auch deshalb: Bis dahin waren die Israeliten Nomaden, die von Ort zu Ort zogen. Sie verehrten ihren «Nomadengott» Jahwe. In Kanaan stiessen sie auf eine bäuerliche Kultur, der sie sich schnell anpassten. Nun waren sie versucht, zu glauben, dass für den landwirtschaftlichen Segen die Götter, die Baale Kanaans, zuständig seien. Die Versuchung, alles den Kanaanitern nachzumachen, war sehr gross. Diese Versuchung wurde noch durch die Tatsache verstärkt, dass man in dieser Kultur etwas Handgreifliches als Bild von Gott vor sich hatte.

    Doch der lebendige Gott ist nicht greifbar. Man kann Ihn nie in ein Bild, in einen Rahmen, in ein Stück Holz spannen. Man kann Gott nicht fixieren. Er ist immer unendlich viel grösser und ist und bleibt ein Geheimnis. Deshalb verbot Jahwe dem Menschen, sich ein fixiertes, selbstgemachtes und frei verfügbares Gottesbild anzulegen. Hier zeigt sich der Sinn dieses Gebotes: Wir können nie über Gott verfügen. Wir dürfen Ihn nie begrenzen, einrahmen, fixieren oder auf etwas Geschaffenes reduzieren. Wir dürfen nie sagen: «Wenn Gott Liebe ist, dann muss er jetzt...» Gott lässt sich nie in ein Schema pressen oder unter Druck setzen.

    Es geht in diesem Gebot auch darum, unsere inneren Bilder von Gott immer wieder loszulassen und sich dem unbegreiflichen Geheimnis Gottes anzuvertrauen. Uns ist es aufgegeben, uns von den Gottesvorstellungen aus der Kindheit, der Jugend, der ersten Liebe, usw. immer wieder zu lösen, weil Gott nie unseren Vorstellungen entsprechen kann.

    Noch ein Gedanke: Dieses Gebot hat im Neuen Testament eine entscheidende Entwicklung erfahren. Das Neue Testament ist von der Botschaft geprägt, dass Gott selber – aus freiem Entschluss – greifbar geworden ist im Menschen Jesus von Nazaret. Er ist das Bild Gottes. Darum sagt Jesus zu Philippus: «Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen» (Joh 14,9b). Und Paulus: «Er ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes» (Kol 1,15a). Gott selbst, der in unzugänglichem Licht wohnt, hat uns ein Bild von sich gegeben: Jesus Christus. Und das grösste (Zeichen) der Liebe dieses unbegreiflichen Gottes ist das Kreuz, denn das ist gleichsam das Testamentbild Seiner Liebe.

    Vielen hilft es, durch das Betrachten des Kreuzes sich innerlich besser auf Gott einstellen und sich so dem Geheimnis der demütigen und in dieser Welt ohnmächtigen Liebe anvertrauen zu können. Das ist der Sinn von Bildern: unsere Seele einzustimmen und zu öffnen für die Begegnung mit dem Unfassbaren, mit dem grossen liebenden Geheimnis unseres Lebens.
    Als Zugang zum Geheimnis Gottes verehrt darum die Ostkirche bis heute ihre Ikonen. Durch sie soll Gottes Licht uns erleuchten.

    Die vielen Bilder in alten Kirchen erfüllten noch einen weiteren Zweck: Da es bis zum 16. Jahrhundert keine Bibelübersetzungen in der Muttersprache gab, übernahmen die vielen Bilder in den Kirchen und Kathedralen die Funktion der Bibel: Sie dienten dem einfachen Volk als «Bilderbibel».

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  • 15. Was heisst biblisch sein?

    Biblisch leben bedeutet nicht, so oft wie möglich und überall die Bibel zu zitieren. So hat auch Mose nicht Predigten über den Glauben Abrahams gehalten, sondern seinen Auftrag erfüllt. Er hat die Menschen aus der Sklaverei, aus der Unfreiheit herausgeführt. Er hat aus Individualisten ein Volk, das Volk Gottes geformt. Ein Volk, das fähig ist, mehr und mehr die Stimme Gottes zu hören.

    Biblisch sein bedeutet vielmehr, so zu leben wie Jesus gelebt hat. Jesus hat selten Seine Bibel, das Alte (Erste) Testament, zitiert, vielmehr hat Er die Wirklichkeit des Lebens angeschaut. Er hat in Geschichten und Gleichnissen Worte gesagt, die ins Leben griffen und Leben veränderten. Seine Worte und Taten hatten eine grosse Wirkung. Die Kraft des Heiligen Geistes wurde durch sie spürbar.

    Von Jesus heisst es: «Er lehrte mit Vollmacht, nicht wie die Schriftgelehrten» (vgl. Mk, 1,22). Letztere beriefen sich auf die Autorität der Bibel und ihre Interpretationen. Warum hatte Jesus diese Vollmacht? Jesus lebte aus der lebendigen Beziehung mit dem Vater. Er lebte verbunden mit den Menschen und der Schöpfung. Das gab ihm innere Autorität. In der Wahrheit und Echtheit kommt die Kraft Gottes zum Ausdruck. Da wird Gottes Wort wirksam, da wird Leben verändert und eine Leben spendende Beziehung möglich.

    Biblisch leben heisst demnach, so tief verbunden mit dem Vater, den Menschen und der Schöpfung zu leben, dass Gottes heilende Kraft, Seine Liebe durch mich wirken kann. Dann versuche ich täglich, meine (ur)eigene Sendung ganz zu leben.

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  • 16. Wie sollen wir das jüdische Volk sehen?

    Zuerst noch ein Blick auf die Bibel: Sie besteht aus dem Alten Bund (Testament) und dem Neuen Bund. In der Heilsgeschichte ist das Alte Testament die Zeit der Vorbereitung, während das Neue Testament die Erfüllung ist. Vieles, was im Alten Testament als Bild und erste Erfahrung geschenkt wurde, erfüllt sich im Neuen Testament. So wurde im Alten Testament der Messias angekündigt, im Neuen Testament erfüllte sich diese Verheissung.

    Das Alte Testament ist das Buch der jüdischen Glaubensgemeinschaft. Auch das Neue Testament ist ganz vom jüdischen Glauben geprägt, denn Jesus war Jude. Er ging in den Tempel in Jerusalem und versuchte, das «Gesetz» Seiner Zeit und Seinem Verhältnis zu Gott entsprechend zu leben. Auch die Apostel und Maria gehörten zum jüdischen Volk. Zudem waren viele der ersten Christen selbst Juden oder dem Judentum nahe stehende Heiden, das heisst «Gottesfürchtige».

    Damit wir die Denkweise der Juden, deren Glauben, ihre Feste und Bräuche verstehen und besser erfassen können ist es wichtig, dass wir uns mit den biblischen Texten des Alten Testamentes auseinander setzen. Denn nur aus den Texten des Alten Testamentes kann das Handeln Jesu und das ganze Neue Testament richtig verstanden werden.

    Im Alten Testament geht es um die Geschichte Gottes mit Seinem Volk Israel. Gott hat sich ein Volk gesammelt und es berufen, Gottes Volk in der Welt zu sein. Er steht ungebrochen in Seiner Liebe zum jüdischen Volk, auch wenn dieses, Jesus (noch) nicht als ihren Messias anerkennt. Das Volk Israel, die Juden, ist und bleibt das auserwählte Volk Gottes. Das Alte Testament ist die Bibel der Juden. Den ersten Teil unserer Bibel haben wir mit den Juden gemeinsam.

    Das Christentum ist also nicht aus dem Nichts entstanden, sondern hat seine Wurzeln im Judentum. Im Neuen Testament zeigt Gott einen neuen, allumfassenden Weg. Er selbst wird Mensch. In der Gestalt seines Sohnes Jesus Christus zeigt er uns endgültig und sichtbar, wie er ist. Durch Christus können nun alle Menschen zu Gottes Volk gehören. Durch Jesus Christus sind wir Nicht-Juden ins Gottesvolk aufgenommen worden. Wir sind wie wilde Zweige im edlen Ölbaum des Judentums eingepfropft, wie Paulus sagt: «Wenn du als Zweig vom wilden Ölbaum in den edlen Ölbaum eingepfropft wurdest und damit Anteil erhieltest an der Kraft seiner Wurzel, so erhebe dich nicht über die anderen Zweige. Wenn du es aber tust, sollst du wissen: Nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel trägt dich» (Röm 11,17b-18).

    Unabhängig vom verhalten des jüdischen Staates ist und bleibt das Judentum die Mutter des Christentums. Gott, der sich selbst treu ist, hat das jüdische Volk nie verstossen. Das jüdische Volk ist und bleibt unser «älterer Bruder». Wir warten darauf, dass das Jüdische Volk Jesus als Messias erkennen wird und wir zusammen eins werden im Volk Gottes.

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  • 100. Wie kann man die Bibel lesen? (Audio-Vortrag)

    Hören Sie dazu den 6. Vortrag aus dem Glaubenskurs «Alpha-Kurs für katholische Christen»