Fragen und Antworten zum Thema Gebet

  • 1. Wie bete ich richtig?

    Jeder Mensch hat einen speziellen Zugang zu Gott. Darum gibt es so viele Weisen zu beten, wie es Menschen gibt. Es gibt also nicht «die richtige Weise». Ich fange zum Beispiel mit einer Tasse Kaffee in der Küche noch vor dem Duschen mit dem Beten an. Das ist im Moment für mich richtig. Ob es morgen noch richtig ist, weiss ich nicht. Nie hat man das richtige Beten für immer. Jede und jeder muss immer wieder seine Form suchen und ausprobieren. Dazu braucht es Mut und Offenheit.

    Gebetsentwicklungen gleichen der menschlichen Entwicklung. Man kann nichts erzwingen und keine Entwicklungsstufe überspringen. Sonst muss sie nachgeholt werden. Es gibt auch kein «Besser» oder «Schlechter», keine Bewertung, weit oder weniger weit zu sein. Es gilt ganz einfach, die Phase ganz zu leben, in der ich jetzt bin und dabei offen und wach für die weitere Führung zu bleiben.

    Es geht nie darum, Gebetsweisen anderer zu kopieren, sondern die eigene Originalität zu entdecken und zu leben. Dabei darf ich darauf vertrauen, dass der Heilige Geist mich führt. Er kann mir natürlich auch durch erfahrene Menschen helfen. Um Gewissheit zu gewinnen, ob der Heilige Geist und nicht meine eigenen Gedanken es sind die mich führen, sind zwei Kriterien zu beachten:

    Erstens: Wir betrachten alle unsere menschlichen Beziehungen, denn was in unseren menschlichen Beziehungen da ist, das ist auch in der Beziehung zu Gott da. Johannes sagt: «Wenn jemand sagt: Ich liebe Gott!, aber seinen Bruder hasst, ist er ein Lügner. Denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, kann Gott nicht lieben, den er nicht sieht …» (1 Joh 4,20). Das zeigt: Die Liebe zu Gott, meine Beziehung zu Ihm zeigt sich in meiner Beziehung zu den Menschen. Wie ich zu meinen Mitmenschen bin, so bin ich auch gegenüber Gott. Wenn ich die Menschen ehre, achte, wertschätze und liebe, dann auch Gott.

    Aber auch das andere stimmt: Wenn ich eine Schwester, einen Bruder ablehne, lehne ich Gott ab. Verachte ich andere, so verachte ich Gott. Nörgle ich und kritisiere ich lieblos an Menschen herum, so tue ich dies auch gegenüber Gott. Nütze ich Menschen aus, so versuche ich, auch Gott auszunützen. Kann ich andere nicht annehmen, so auch Gott nicht. Mache ich um Menschen einen weiten Bogen, so auch um Gott. Höre ich meinen Mitmenschen nicht zu, so auch Gott nicht. Gehe ich mit Menschen kühl, reserviert und von oben herab um, so auch mit Gott. Gehe ich achtlos am Leiden anderer vorbei, so auch an Gott. Schliesse ich einen Menschen, Gruppen, Völker … aus meiner Bejahung aus, so auch Teile von Gott.

    Ein zweites Kennzeichen echten Betens ist eine Art innere Stimmigkeit. Ich merke, «diese Art des Gebetes stimmt für mich», auch wenn ich sie nicht verstehe. In dieser Art von Stimmigkeit wird mir tief innerlich stets gute Energie, der Heilige Geist, zufliessen.

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  • 2. Wie sollen wir uns in Zeiten der Trockenheit und der Erfahrung der inneren Wüste verhalten?

    Im Gebetsleben gibt es Phasen, da werden wir vom Gebet angezogen. Wir spüren Kraft und Freude. Solche Gefühle wollen helfen, dass die Liebe wachsen kann. Wenn ein Mensch sich auf die Beziehung mit Gott im Gebet eingelassen hat, dann will Gott ihn weiter führen – hin zu einer Liebe. Echte Liebe lebt von der Hingabe. Wenn wir einen Menschen nur so lange lieben, wie uns das angenehm ist, sind wir noch Egoisten und keine Liebenden.
    Damit diese selbstlose Liebe wachsen kann, wird der Mensch – biblisch gesprochen – in die Wüste geführt, wo die Gefühle zurückgehen. Was vorher so schön und begeisternd war, kann nun fad, leer und mühsam erscheinen. War das Beten bislang anziehend und angenehm, so kann es geschehen, dass jetzt alles fad und leer erscheint. Ja noch mehr: Glauben und Beten wurden bisher als stärkend erfahren, nun können sie zur Last werden.

    Fragen und Zweifel tauchen im Herzen auf: War das, was ich bisher erlebt habe, vielleicht eine Illusion? War das echt? Glaube ich überhaupt noch? Ist es jetzt, da ich nichts mehr fühle und es mir nichts mehr bringt, nicht viel ehrlicher, mit dem Beten und dem Bibellesen aufzuhören? Was soll das alles? Wo ist da die Liebe Gottes?
    Zu solchen geistlichen Schwierigkeiten können oft noch andere Probleme hinzukommen: Beziehungsprobleme, Unverstandensein, psychische Las¬ten, gesundheitliche Störungen, Sorgen in der Familie, usw.… All das macht das Leben schwierig. Es kann eng in uns werden, sodass wir nicht mehr weiterwissen. Ja, wir können so verwirrt und verunsichert werden, dass wir uns für nicht mehr «normal» halten. 

    Für die Erfahrung der Wüste kann es zwei ganz unterschiedliche Ursachen geben:
    Eigene Untreue: Ich selber bin untreu und bequem geworden. Ich lese nicht mehr täglich im Wort Gottes. Mehr und mehr habe ich anderes dem Gebet und Engagement für Jesus vorgezogen. Ich lasse Sünde, Oberflächlichkeit und faule Kompromisse zu. Ich nehme nicht mehr regelmässig an den Gruppentreffen teil. Durch solche eigene Untreue wird die Begeisterung für Gott und Seine Sache schnell abflauen. Nach einem guten Anfang verlassen wir in diesem Fall den Weg des Wachstums. Da gibt es nur eins: Umkehr und Erneuerung der Freundschaft mit Jesus.

    Gottes Führung: Es gibt aber auch die andere Erfahrung, dass ich treu und engagiert meinen Weg gehe und erfahre diese Wüste. Dann hat Gott die Hand im Spiel. Er nimmt mir die guten Gefühle, um Grösseres in mir wachsen zu lassen. Dieses Grössere besteht nun darin, dass wir uns vom Geist, das heisst von «Jesus in uns» leiten lassen. 
    Damit wir die leise Sprache des Geistes hören können, müssen die Gefühle zurückgenommen werden. Nur so können wir langsam unterscheiden: Welches sind meine eigenen Gefühle, Triebe, Ängste und Wünsche, und welches ist die Stimme des Geistes Jesu.
    Denn wer verliebt ist, ist in seinen Gefühlen nicht mehr ganz frei. Die Gefühle «besitzen» ihn. Gott möchte uns nun aus der Abhängigkeit der Gefühle lösen, damit wir selbstlose Treue lernen. Das geht in der Regel nur über die schmerzliche und demütigende Erfahrung der «Wüste». Da gilt es, Ruhe zu bewahren und treu den Weg weiterzugehen. 

    In Treue weitergehen
    So wie Jesus sich «entschloss, nach Jerusalem zu gehen» (vgl. Lk 9,51) gilt es auch für uns, in diese heilige Entschiedenheit unseres Willens hineinzuwachsen und die Treue zu leben. 

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  • 3. Wie sollen wir mit Gedanken der Zerstreuung im Gebet umgehen?

    Das hängt ein Stück weit von der Art unseres Betens ab. Wenn unser Gebet immer mehr in ein stilles Verweilen vor dem Herrn führt (Kontemplation), dann können zwei «Methoden» hilfreich sein.

    Erstens: die eigenen Gedanken und Gefühle anzuschauen, sie wahrzunehmen und sie vor Gott hinzuhalten, um sie zum Gesprächsthema mit Ihm zu machen. Sobald wir die auftauchenden, störenden Gedanken und Gefühle zulassen, sie ohne Bewertung anschauen und sie zum Gesprächsthema mit Gott machen, bringen wir unser Leben, das, was uns beschäftigt, ins Gespräch mit Gott ein. Scheinbar oberflächliche Gedanken können uns so in die Tiefe führen. Was immer mich in Gedanken und Gefühlen bewegt, es darf sein.

    Zweitens: Der Franziskanerpater Richard Rohr empfiehlt, die Gedanken und Gefühle nicht allzu sehr zu beachten. Wenn wir am Ufer eines Flusses sitzen und zum anderen Ufer auf Jesus Christus schauen, dann sollen wir die Gedanken wie Schiffe auf dem Fluss ruhig an uns vorüberziehen lassen, während unser Blick hinüber, auf Gott ausgerichtet bleibt. Doch nur allzu oft wird uns das nicht gelingen. Denn schnell fangen wir an, uns mit den Gedanken zu beschäftigen. Deshalb sollen wir, wenn wir in die «Schiffe eingestiegen» sind, indem wir uns mit den Gedanken beschäftigt haben, liebevoll wieder «aussteigen» und die Sorgen und Anliegen der Führung Gottes anvertrauen.

    Zu diesen Prozessen des Aussteigens schreibt Franz von Sales: «Wenn dein Herz wandert oder leidet, bring es behutsam an seinen Platz zurück und versetze es sanft in die Gegenwart deines Herrn. Und selbst, wenn du nichts getan hast in deinem ganzen Leben, ausser dein Herz zurückzubringen und wieder in die Gegenwart unseres Gottes zu versetzen, obgleich es jedes Mal wieder fortlief, nachdem du es zurückgeholt hattest, dann hast du dein Leben wohl erfüllt.»

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  • 4. Der Rosenkranz

    Das bekannteste katholische Mariengebet ist der sogenannte Rosenkranz. Das Rosenkranzgebet entwickelte sich aus frühmittelalterlichen Gebeten, bei denen zunächst das Vater unser und ab dem 11. Jahrhundert zunehmend das Ave Maria einhundertfünfzigmal, in Zehnergruppen gegliedert, wiederholt und mit biblischen Texten über das Leben und Heilswerk Jesu Christi verbunden wurde. Von diesem Ursprung her ist der Rosenkranz ein christusbezogenes Meditationsgebet.
    Die heute gebräuchliche Form des Rosenkranzes entstand im Advent 1409. Der Kartäuser Dominikus von Preussen fasste die Ereignisse des Lebens Jesu in 50 Sätzen zusammen, die sich an den damals üblichen ersten Teil des Ave Maria anschlossen. Seit Ende des 14. Jh. ist es üblich, die Ave Maria in 15 Einheiten zu je 10 zusammenzufassen und diese mit einem Vater unser zu beginnen. Von da an hat sich der Rosenkranz schnell verbreitet. Das Wort Psalter wird für das Beten aller 15 Einheiten (Gesätze) verwendet, das Wort Rosenkranz für je 5 Gesätze.

    Das Wort Rosenkranz bezeichnet einen Kranz von Rosen. Die Rose ist ein Symbol der Liebe. Wenn man jemandem eine Rose schenkt, sagt man: „Du bedeutest mir viel! Du bist mir viel wert.“ Im 14. Jahrhundert ehrte man Maria, indem man ihre Statuen mit Blumenkränzen krönte oder mit Rosengirlanden zierte. Einem jungen Mann, der dies regelmässig tat, soll Maria geoffenbart haben, dass es ihr willkommener wäre, wenn er ihr stattdessen einen Kranz von 50 geistigen Rosen, also 50 Ave Maria schenken würde. 
    Eine besondere Bedeutung bekam der Rosenkranz 1571. Damals bedrohten muslimische Türken akut das gesamte christliche Abendland und fielen in blutigen Eroberungskämpfen immer tiefer in Europa ein, um die Christen gewaltsam dem Islam zu unterwerfen. Ihr Vormarsch schien unaufhaltsam. In dieser furchterregenden Überlegenheit der Feindesmacht rief Papst Pius V. (1566-1572) alle Christen im gesamten Abendland zum Rosenkranzgebet auf, um die islamische Invasion abzuwehren. 
    Die Seeschlacht von Lepanto am 7. Oktober 1571 endete mit dem wunderbaren Sieg der Christen über den Islam. Der Papst führte den 7. Oktober als Festtag Unserer Lieben Frau vom Sieg ein. Später wurde dieser Festtag von Papst Gregor XIII. (1572-1585) in das Rosenkranzfest umbenannt. Leo XIII., der 1878-1903 Papst war, hat den Monat Oktober zum Rosenkranzmonat erklärt.

    - Inhalt des Rosenkranzgebetes
    Der Rosenkranz enthält mehrere verschiedene Gebete: Das Vaterunser, das Gegrüsset seist du, Maria (Ave Maria) und einen Lobpreis auf die Dreieinigkeit, das Ehre sei dem Vater. 
    Der Rosenkranz beginnt mit dem Kreuzzeichen und dem Apostolischen Glaubensbekenntnis. Dann folgt das Ehre sei dem Vater, das Vaterunser und dreimal das Gegrüsset seist… worauf jeweils nach ...Jesus eingefügt wird … der in uns den Glauben vermehre, … der in uns die Hoffnung stärke und …der in uns die Liebe entzünde. 
    Danach beginnt der eigentliche Rosenkranz, in dem jeweils ein Aspekt oder Geheimnis aus dem Leben Jesu oder Mariens betrachtet wird. 

    Die freudenreichen Geheimnisse sprechen von der Verkündigung des Engels an Maria, dem Besuch bei Elisabeth, der Geburt Jesu, der Darstellung Jesu im Tempel und dem Wiederauffinden Jesu im Tempel:
    - den du, o Jungfrau, vom Heiligen Geist empfangen hast (Lk 1,35)
    - den du, o Jungfrau, zu Elisabeth getragen hast (Lk 1,39-56)
    - den du, o Jungfrau, geboren hast (Lk, 2,1-20)
    - den du, o Jungfrau, im Tempel aufgeopfert hast (Lk 2,22-24)
    - den du, o Jungfrau, im Tempel wiedergefunden hast (Lk 2,41-52)

    In den lichtreichen Geheimnissen betrachten wir die Taufe Jesu im Jordan, Sein erstes Wunder bei der Hochzeit in Kana, Seine Verkündigung, die Verklärung auf dem Berg Tabor und die Einsetzung der Heiligen Eucharistie für uns:
    - der von Johannes getauft worden ist (Lk 3,21-22)
    - der sich bei der Hochzeit in Kana offenbart hat (Joh 2,1-12)
    - der uns das Reich Gottes verkündet hat (Mk 1,14)
    - der auf dem Berg verklärt worden ist (Lk 9,28-36)
    - der uns die Eucharistie geschenkt hat (Mk 14,17-25)

    Die schmerzhaften Geheimnisse handeln von Jesu Leidenskampf im Garten Gethsemane, der Geisselung, der Dornenkrönung, dem Kreuztragen und der Kreuzigung:
    - der für uns Blut geschwitzt hat (Lk 22,44)
    - der für uns gegeisselt worden ist (Joh 19,1)
    - der für uns mit Dornen gekrönt worden ist (Joh 19,2)
    - der für uns das schwere Kreuz getragen hat (Joh 19,17)
    - der für uns gekreuzigt worden ist (Joh 19,18)

    Die glorreichen Geheimnisse weisen hin auf die Auferstehung Jesu, Seine Himmelfahrt, die Sendung des Heiligen Geistes an Pfingsten, die Aufnahme Mariens in den Himmel und ihre Krönung zur „Königin des Himmels“:
    - der von den Toten auferstanden ist (Lk 24,6)
    - der in den Himmel aufgefahren ist (Apg 1,9-11)
    - der uns den Heiligen Geist gesandt hat (Apg 2,1-13)
    - der dich, o Jungfrau, in den Himmel aufgenommen hat (1 Kor 15,22-23)
    - der dich, o Jungfrau, im Himmel gekrönt hat (Offb 12,1)

    Neben diesen offiziellen Geheimnissen gibt es viele zusätzliche Geheimnisse. Ich möchte noch die trostreichen Geheimnisse erwähnen, in denen die Vollendung des Heilswirken Gottes in Jesus Christus betrachtet werden:
    - der als König herrscht (Offb 19,6)
    - der in Seiner Kirche lebt und wirkt (Eph 1,22-23)
    - der wiederkommen wird in Herrlichkeit (2 Petr 3,8-13)
    - der richten wird die Lebenden und die Toten (Röm 2,1-11)
    - der alles vollenden wird (1 Kor 15,35-58)

    Es gibt verschiedene Möglichkeiten das Rosenkranzgebet abzuschliessen. Manchmal werden noch weitere Gebete (z. B. für die Verstorbenen, die Anliegen der Weltkirche, …) angefügt. In der Regel wird der Rosenkranz mit dem Kreuzzeichen beendet, dem sich die Segensbitte an Maria anschliessen kann: Maria mit dem Kinde lieb, uns allen deinen Segen gib. Amen.

    - Wie (in welcher Haltung) den Rosenkranz beten?
    Von seinem Ursprung her ist der Rosenkranz ein biblisch orientiertes Christusgebet. Romano Guardini (1855 – 1968) schrieb zum Rosenkranzgebet: „Dieses Gebet bedeutet das Verweilen in der Lebenssphäre Mariens, deren Inhalt Christus ist.“ Papst Johannes Paul II. schreibt 2002 im Apostolischen Schreiben Rosarium Virginis Mariae - Der Rosenkranz der Jungfrau Maria unter anderem: „Der Rosenkranz führt in das Herz des christlichen Lebens ein.“ 
    Beim Rosenkranzgebet geht es nicht darum Wort für Wort zu denken, das wäre eine völlige Überforderung und würde nur Stress verursachen. Das einfache Wiederholungsgebet des Rosenkranzes kann uns dazu helfen, dass der Geist frei wird. Dazu ist es hilfreich eine gesegnete Rosenkranzkette (Rosenkranz) in der Hand zu haben und an den Fingern die zehn Ave Maria mitzuzählen. So kann der Rosenkranz zur Entspannung helfen, zum tieferen Hineintauchen in das Geheimnis, das jeweils betrachtet wird. 
    Die grundlegende Form des Rosenkranzgebetes besteht in der Betrachtung der zentralen Geheimnisse des christlichen Glaubens. So wie Maria Jesus ins Leben und in den jüdischen Glauben einführte, will sie uns an der Hand nehmen und in die Lebensgeheimnisse ihres Sohnes einführen.
    Der Rosenkranz kann auch als eine Form der Bitte und Fürbitte in besonderen Nöten und Anliegen gebetet werden. Eine gute Art den Rosenkranz zu beten besteht darin, bei jedem Gesätz (oder sogar bei jedem Ave Maria) für bestimmte Menschen und Situationen zu beten. Das verstärkt auch unsere Beziehung zu ihnen. 
    Mit der Verehrung Mariens als himmlische Beschützerin und machtvolle Fürbitterin wurde der Rosenkranz auch zu einem eigentlichen Mariengebet. Durch die Marienerscheinungen in Lourdes und Fatima erhielt der Rosenkranz eine ausgeprägte marianische Ausrichtung. Im Rosenkranz verbinden wir uns im Gebet mit Maria, der Mutter Gottes in den Anliegen der Menschen und der Welt. Wir unterstützen ihre Sendung, die sie jetzt für die Kirche und Welt hat. 
    Zum offiziellen Rosenkranz können weitere Gebete angefügt werden. Das bekannteste ist das sogenannte Fatima-Gebet, das von der Jungfrau Maria während der dritten Erscheinung in Fatima am 13. Juli 1917 offenbart wurde: O mein Jesus, verzeih uns unsere Sünden! Bewahre uns vor dem Feuer der Hölle! Führe alle Seelen in den Himmel, besonders jene, die deiner Barmherzigkeit am meisten bedürfen. Amen. Dieses Bittgebet für uns und für Verstorbene ist jedoch nicht offizieller Bestandteil des Rosenkranzgebetes.

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  • 5. Wie kam es zum Rosenkranzgebet?

    Das bekannteste Gebet, das sich an Maria richtet, ist das Gegrüsset seist du, Maria. Es besteht aus drei Teilen: 1. dem Wort des Engels Gabriel (Lk 1,28):„Sei gegrüsst, du Begnadete, der Herr ist mir dir“. 2. dem Wort Elisabeths, das sie, eingegeben vom Heiligen Geist, ausgesprochen hat (Lk 1,42): “Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes“ und 3. und der Bitte: Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder jetzt und in der Stunde unseres Todes. Amen.“ Der Wortlaut dieses dritten Teiles wurde 1569 von Papst Pius V. verbindlich festgelegt. Daraus sehen wir, dass dieses Gebet das Ergebnis einer allmählichen Entwicklung ist, die im sechsten Jahrhundert begann. Doch der Gedanke, Maria um ihr Gebet zu bitten, reicht bis ins dritte Jahrhundert zurück.

    Entstehung des Rosenkranzes
    Das Rosenkranzgebet entwickelte sich aus frühmittelalterlichen Gebeten, bei denen zunächst das Vater unser und ab dem 11. Jahrhundert zunehmend das Ave Maria einhundertfünfzigmal in Zehnergruppen gegliedert wiederholt und mit Glaubensgeheimnissen und biblischen Texten über das Leben und Heilswerk Jesu Christi verbunden wurde. Von diesem Ursprung her ist der Rosenkranz ein christusbezogenes Meditationsgebet.

    Die heute gebräuchliche Form des Rosenkranzes entstand im Advent 1409. Der Trierer Kartäuser Dominikus von Preußen fasste die Ereignisse des Lebens Jesu in 50 Schlusssätzen zusammen, die sich an den damals üblichen ersten Teil des Ave Maria anschlossen. Seit dem Ende des 14. wird es üblich, die Ave in 15 Einheiten zu je 10 zusammenzufassen und diese mit einem Vater unser zu beginnen. Damit ist der Rosenkranz „geboren“ und hat sich schnell verbreitet. Das Wort Psalter wird dann nur mehr für das Beten aller 15 Gesätze verwendet, das Wort Rosenkranz für je 5 Gesätze.

    Das Wort Rosenkranz bezeichnet einen Kranz von Rosen. Die Rose ist ein Symbol der Liebe. Wenn man jemandem eine Rose schenkt, sagt man: Du bedeutest mir viel! Du bist mir viel wert. Im 14. Jahrhundert ehrte man Maria, indem man ihre Statuen mit Blumenkränzen krönte oder mit Rosengirlanden zierte. Einem jungen Mann, der dies regelmässig tat, soll Maria geoffenbart haben, dass es ihr willkommener wäre, wenn er ihr stattdessen einen Kranz von 50 geistigen Rosen, also 50 Ave Maria schenken würde.

    Eine besondere Bedeutung bekam der Rosenkranz 1571. Damals bedrohten muslimische Türken akut das gesamte christliche Abendland und fielen in blutigen Eroberungskämpfen immer tiefer in Europa ein, um die Christen gewaltsam dem Islam zu unterwerfen. Ihr Vormarsch schien unaufhaltsam. In dieser furchterregenden Überlegenheit der Feindesmacht half nur noch das Gebet. So rief Papst Pius V. (1566-1572) alle Christen im gesamten Abendland zum Rosenkranzgebet auf, um die islamische Invasion abzuwehren.
    Die Seeschlacht von Lepanto am 7. Oktober 1571 endete mit dem wunderbaren Sieg der Christen über den Islam. Der Papst führte den 7. Oktober als neuen Festtag ein. «Unserer Lieben Frau vom Sieg» sollte jährlich an diesem Tag gedacht werden. Später wurde dieser Festtag von Papst Gregor XIII. (1572-1585) in das Rosenkranzfest umbenannt. Leo XIII., der 1878 – 1903 Papst war, hat den Monat Oktober zum Rosenkranzmonat erklärt.

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  • 6. Was ist «Eucharistische Anbetung»?

    Das griechische Wort für «Anbetung» heisst proskynesis. Damit wird die Geste der Ehrerbietung und Unterwerfung bezeichnet. Diese Niederwerfung bestand meist darin, dass sich der Untertan dem Herrscher zu Füssen warf, oder zu mindestens auf die Knie ging und den Kopf zu Boden neigte, manchmal auch sich mit dem Gesicht nach unten flach auf den Boden legte. Gott gegenüber ist es eine Haltung, in der wir zum Ausdruck bringen, dass Gott «Gott» ist und wir (nur) Seine Geschöpfe: «Gott, Du bist alles! Du überragst alles. Ich anerkenne Dich als meinen Herrn. Ich habe nichts an Dir auszusetzen. Du allein bist der Heilige. Du allein bist der Höchste. Du allein bist der Herr. Du bist der durch und durch Liebende. Du bist souverän in all Deinem Wirken. Dir gebührt alle Ehre, alles Lob und alle Anbetung. Es ist gut, dass Du, Gott, bist. Ich erkenne Dich ganz als Gott an.»
    Das lateinische Wort für «Anbetung» heisst adoratio. Darin ist das Wort «Mund» enthalten. Adoratio bedeutet: «Berührung von Mund zu Mund, Kuss, Umarmung und so im tiefsten Liebe» (Papst Benedikt 21. August 2005 in Köln). Anbetung bedeutet Gott den Kuss der Liebe zu schenken und den Kuss Seiner Liebe anzunehmen.
    Anbetung bedeutet Gottes Grösse, Souveränität und Heiligkeit anzuerkennen und zugleich Ihm uns in Liebe zuzuwenden, Seine Liebe zu empfangen und unsere Liebe Ihm zu schenken.
     
    Sich den Strahlen der Liebe zuwenden
    Anbetung ist ein Ausdruck der Liebe, ein gegenseitiger Blick der Liebe. Dieser Blick des Herzens auf den souveränen, heiligen Gott und Herrn kann in unterschiedlicher Weise geschehen. Eine spezielle, ganz besonders eindrückliche Form, ist die der «Eucharistischen Anbetung» (Anbetung vor dem ausgesetzten Allerheiligsten). Es ist dies eine sehr konkrete und sinnenfällige Weise, Auge und Herz Gott, dem Allmächtigen und Allliebenden, zuzuwenden. In der Monstranz – im Zeichen des Brotes – sehen und begegnen wir Gott selbst.
    Er ist da in Seinem Sohn, und zwar in dem für uns am Kreuz hingegebenen Leib. Er ist da in Seiner heilenden und erlösenden Liebe. Diese Liebe ist die wahre Sonne unseres Lebens. Sie ist es, die alles erlöst, heilt und neu macht. In einem Anbetungslied heisst es: «Du bist das Lied in meinem Herzen, Du bist die Liebe meines Lebens ... Send Deine Strahlen o Herr, tief in das Herz mir hinein ...». Anbetung ist nicht nur ein Aufschauen zu Gott, sondern Anbeten bedeutet auch, sich Gottes Liebesstrahlen zuzuwenden. Anbeten ist wie «sünnele» (sonnenbaden). Daher ist diese Gebetsform auch ein «Gebet der Entspannung». Wer sich an die Sonne begibt, um braun zu werden, muss sich keinen grossen körperlichen Übungen oder Anstrengungen aussetzen: Er braucht sich weder anzustrengen, noch zu strecken oder zu recken – im Gegenteil: Er muss gar nichts tun, er kann ganz einfach entspannt da sein. Er braucht sich nur der Sonne auszusetzen und diese wirken zu lassen.

    Gegenseitige «Aussetzung»
    Die eucharistische «Aussetzung» ist eine Form der besonderen Nähe. Jesus «setzt» sich uns aus in der Form des Brotes, im Allerheiligsten Altarssakrament, und wir «setzen» uns Jesus aus, indem wir uns Ihm öffnen. Da zählt nur eines: Die Liebe! Jesus schenkt uns Seine Liebe und wir schenken Ihm unsere Liebe. Dazu Theresia von Lisieux: «Ich will mich Jesus Liebesblick aussetzen und ihn in meiner Seele wirken lassen.» Gerhard Tersteegen (1697–1769) drückt diese Haltung im Lied: «Gott ist gegenwärtig» (Strophe 1 und 3) so aus: «Gott ist gegenwärtig, lasset uns anbeten und in Ehrfurcht vor ihn treten. Gott ist in der Mitte, alles in uns schweige und sich innigst vor ihm beuge. Wer ihn kennt, wer ihn nennt, schlag die Augen nieder, geb das Herz ihm wieder. (...) Du durchdringest alles; lass Dein schönstes Lichte, Herr, berühren mein Gesichte. Wie die zarten Blumen willig sich entfalten und der Sonne stille halten, lass mich so, still und froh, Deine Strahlen fassen und Dich wirken lassen.»

    Jesus schaut mich an und ich schaue Jesus an
    Der heilige Pfarrer von Ars beobachtete regelmässig, wie ein Mann in die Kirche ging und dort mehrere Stunden zubrachte. Eines Tages fragte er ihn, was er denn die ganze Zeit in der Kirche mache. Darauf antwortete der Mann: «Jesus schaut mich an und ich schaue ihn an.»
    Wer so längere Zeit vor dem Allerheiligsten, das heisst vor Jesus, ausharrt, wird empfänglicher für die feinen Impulse, die von Jesus ausgehen. Er wird freier für das, was Jesus mit ihm vor hat. Zugleich dringt Gottes Licht in sein Leben ein und lässt es nach und nach heller und heiler werden. Manchmal kann uns die Zeit der Eucharistischen Anbetung als Zeitverschwendung erscheinen. Es gäbe so viel zu tun! Wenn solche Gedanken und Empfindungen kommen, fällt es schwer, einfach so «nutzlos und tatenlos» vor dem Allerheiligsten da zu sein und ruhig in der Haltung der Anbetung zu verweilen. Gerade dann sind wir geneigt, die Zeit der Anbetung zu verkürzen, insbesondere, wenn wir spüren, dass wir innerlich «zu» oder unruhig sind. Dennoch gilt es, zu verweilen – ein echtes «Opfer des Lobes» zu bringen (vgl. Ps 50,14). Es kostet uns dann schon etwas, lobend und anbetend vor Gott da zu bleiben. Doch die Liebe zählt, und die Liebe zu Jesus wird uns anhalten und auch helfen, in solchen Zeiten der inneren Unruhe oder der «Trockenheit», die uns vorgenommene Zeit bei Jesus zu bleiben.
    Manchmal hilft es auch, sich ins Gedächtnis zu rufen: Ich muss jetzt nichts tun, ich muss nicht «besonders schön» beten, ich darf einfach da sein – auch mit «unandächtigen» Momenten. Ich kann und will einfach da sein in der Haltung, die Charles de Foucauld einmal so ausdrückte: «Dein Glück, Jesus, genügt mir!» Das heisst: Ich selbst verzichte auf besonders «fromme » und wohltuende Gefühle – es genügt mir, wenn Du, Jesus, glücklich bist. Papst Johannes Paul II. schrieb in der Gründonnerstagsbotschaft 1980: «In diesem Sakrament der Liebe wartet Jesus selbst auf uns. Keine Zeit sei uns dafür zu schade, um ihm dort zu begegnen: in der Anbetung, in einer Kontemplation voller Glauben.»

    Eine gewachsene Frömmigkeitsform
    Die Form der Eucharistischen Anbetung ausserhalb einer Eucharistiefeier kam im 11. Jahrhundert auf, und zwar als Reaktion auf die Irrlehre des Berengar von Tours, der die Realpräsenz Jesu in der Eucharistie (das heisst die tatsächliche und bleibende Gegenwart Christi) leugnete.
    Seit der Einführung der Eucharistischen Anbetung ist sie für viele Menschen eine Quelle grosser spiritueller Kraft, eine Art von Liebesfeuer, das die Herzen der grossen Söhne und Töchter der Kirche gewärmt hat. Heute finden immer mehr Menschen Zugang zur Eucharistischen Anbetung. Verschiedene Gruppierungen und Gemeinschaften sind geradezu durch ihre «eucharistische Frömmigkeit» geprägt, und vielfach auch von dem Anliegen getragen, Menschen zu helfen, (neu) zu dieser Form der Anbetung zu finden.

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  • 7. Was ist christliche Meditation?

    Die Vielfalt der Angebote an Meditationen führt zur Frage: Was ist authentisch-christliche Meditation? Welches sind die Kriterien der Unterscheidung?
    Die Antwort ist einfach: Christlich ist eine Meditation dann, wenn sie die Person Jesu Christi zum Inhalt hat. Das Ziel der christlichen Meditation ist es, die Freundschaft mit Jesus Christus zu vertiefen.
    Darin unterscheidet sich die christliche Meditation (oder auch Kontem¬plation) vom Buddhismus und dem Zen. Bei Letzterem geht es eher darum, leer zu werden, während dem es bei der christlichen Meditation um die Verwandlung in Jesus Christus geht.
    Schöpfungsmeditation wie z. B. die Meditation des eigenen Leibes, dem Atem nachzuspüren und damit das Leben als Geschenk Gottes zu erfah¬ren, die Meditation der Schöpfungselemente Feuer, Luft, Erde, Wasser sowie von Klängen, Düften, Bäumen, Blumen und Tieren sind kostbar und wertvoll. Sie können eine tiefe Entspannung und Ruhe bewirken.
    Biblisch gesprochen befinden sich aber all diese Meditationen noch im «Vorhof» des Tempels. Dazu ein Vergleich: Oliver hat für mich persönlich ein Essen zubereitet, das ich nun geniesse. Nach dem Essen sage ich: Nun kenne ich Oliver. Das ist sicherlich nicht ganz falsch; doch ob ich ihm nur im Essen seiner Speisen begegne oder ihm ganz persönlich gegenüberstehe und mich mit ihm unterhalte, ist ein grosser Unterschied.
    Wer die Gaben der Schöpfung als das Höchste ansieht, verhindert so gerade die Chance, ins Allerheiligste einzutreten, um Gott selber zu begegnen. Die echte christliche Meditation führt uns zum Du des Dreifaltigen Gottes, der sich uns in und durch die Menschheit Jesu offenbart.

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  • 8. Durch welche Heilungs- und Reinigungsphasen kann Gott uns führen?

    Der Weg des Gebetes hat grosse heilende und therapeutische Kraft. Das heisst nicht, dass wir unter Umständen keine weiteren Hilfen mehr brauchen. Aber hier wird uns etwas gegeben, was alle psychologischen und medizinischen Therapien uns nicht bieten können.
    Der Heilige Johannes vom Kreuz bringt das Bild vom Feuer (Gott) und vom Holz (Mensch). In den Verwandlungsphasen (Läuterungsphasen) ist es, wie wenn man ein Stück Holz ins Feuer wirft. Zuerst stinkt und knistert es, es entwickelt sich Rauch, das Holz wird schwarz, dunkel und hässlich. Dann gibt es einen Zeitpunkt, wo das Holz durchsichtig wird, wo Holz und Feuer eins geworden sind. Dies geschieht auch im Feuer der Kontemplation. Gott und Mensch in ihrer ganzen Verschiedenheit werden gleich. Der Mensch wird so durchdrungen von Gott, dass er sich quasi in Gott verwandelt.
    Oder anders gesagt: Die eigene Gottebenbildlichkeit durchdringt den Menschen mehr und mehr und strahlt durch ihn hindurch. Gebrochenheiten, Wunden,... mögen bleiben, aber durch sie strahlen das Licht, die Güte und der Friede Gottes.
    Doch vorerst muss es Heilungs- und Reinigungsphasen geben. Mit diesem Dampfen, Stinken und Knistern des Holzes meint Johannes vom Kreuz die verschiedenen Reinigungsphasen, die sich in unserem Alltag, in unseren Lebenserfahrungen ereignen. Johannes spricht in diesem Zusammenhang von aktiven und passiven Nächten der Sinne und des Geistes.
    «Aktiv» heisst: Ich kann noch etwas tun. «Passiv»: Ich kann es nur erleiden und durchtragen. In der Nacht sieht man nichts. «Nacht» heisst somit: Ich sehe, spüre, empfinde, höre... nichts mehr. Ich bin leer, komme überhaupt nicht mehr vorwärts. Ich weiss nicht mehr, wie es weitergeht. Ich bin verwirrt, ratlos. Vorher war alles klar und hell, jetzt ist es dunkel.

    Nacht der Sinne
    Wir haben fünf Sinne: Sehsinn, Hörsinn, Tastsinn, Geruchs- und Geschmackssinn. Damit können wir all die Schönheiten des Lebens geniessen. Geniessen tun wir gerne, manchmal allzu gerne. Wenn wir einen besonders schönen Genuss, ein super Glücksgefühl erlebt haben, dann können wir uns immer wieder danach sehnen. So kann eine Bindung, eine Sucht, eine Abhängigkeit entstehen, die uns fesselt.
    Wir erleben uns von vielem umhergetrieben: von Sorgen, Ängsten, Gefühlen wie Eifersucht und Neid. Menschen können gebunden sein ans Geld, an die eigene Ehre, an Zorn, an massloses Essen und Trinken, an Sex, ans Fernsehen, ans Internet, an Ehrgeiz, an die Arbeit... und an vieles mehr. Viele sind abhängig von anderen Menschen: «Ohne den oder die kann ich nicht leben.»

    Das Eigentliche einer Bindung ist: Der Mensch ist nicht mehr frei. Johannes nimmt das Bild eines Vogels, der wegfliegen möchte. Ob er an einem dicken Seil oder an einem dünnen Faden angebunden ist, das Resultat ist dasselbe: Er kann nicht abheben und fliegen. Doch der Vogel ist berufen zu fliegen, die Weite und Freiheit des Horizontes einzunehmen.
    Um Befreiung von der Ich-Haftung, von emotionalen Bindungen, von eigenen Fantasien und Wünschen geht es in der Nacht der Sinne. Das Loslösen geht nur über einen Entzug. Johannes sagt: «Man muss von den Brüsten der Sinnlichkeit entwöhnt werden.» Diese Entwöhnung geschieht im Alltag. Entwöhnung hat immer mit Verzicht, dem Durchtragen von Spannungen und oft mit Schmerz zu tun. Man lässt sich - bildlich gesprochen - nicht mehr bequem von den Brüsten nähren, sondern sucht selber Nahrung, eine Nahrung, die nicht mehr abhängig macht und die der eigenen Reifung dient.

    Was uns dabei im Alltag begegnet, was uns querläuft, uns an unsere Grenzen bringt, uns so sehr weh tut, usw., ist das, was Gott selbst für uns ausgesucht hat, um uns zu entwöhnen. Die Schwierigkeiten, Enttäuschungen, usw. sind unser Weg, um reif und frei zu werden. Wir können schreien, uns dagegen auflehnen und den «unmöglichen» Menschen die Schuld geben. Doch diese Menschen sind Gottes Mittel, durch die Er uns befreien möchte.
    In diesen Nächten geht es darum, von der Ich-Haftung, von all jenem befreit zu werden, was uns an unserem wahren Menschsein und an unserer Entfaltung hindert. Es geht um immer stärkere Erfüllung und grösseres Glück. Es geht darum, beständig mehr geniessen zu können. Denn ein Süchtiger, ein Gebundener kann nicht geniessen.

    Nacht des Geistes
    Die Nacht des Geistes ist schwieriger zu verstehen. Hier geht es um die Befreiung von Fixierungen, Bildern, Festlegungen in Bezug auf den Geist des Menschen. Johannes vom Kreuz sagt: «Der Mensch muss sich lösen von allem, wie sehr er auch daran hängt. Er muss sich befreien von den Bildern, die seine Vergangenheit geprägt haben.»
    Wir alle haben innere Bilder, auch von uns selber. Wie sehr wir an solchen Selbstbildern hängen, offenbart sich in unserer Frage: Wie reden andere über mich? Was halten sie von mir? Des Weiteren haben wir Vorstellungen, wie wir sein möchten. Wir sind bemüht darum, uns selber in einem guten Licht zu sehen. Davon leben wir innerlich. Ebenso haben wir Vorstellungen, wie der Partner, die Kinder, die Mitmenschen, die Wirtschaft, die Kirche, das Wetter, ja auch wie Gott sein sollte. All diese Bilder und Erwartungen gilt es abzulegen. Warum?
    Sie engen uns ein. Sie verhindern, mit der Realität in Kontakt zu kommen. Sie machen uns unfrei. Sie hindern uns am «Fliegen».

    Das gilt auch für unsere Gottesbilder und Gotteserfahrungen. Wir müssen auch die Art und Weise, wie Er sich uns zeigte, loslassen. Am Anfang erlebten wir Gott als imponierend. Dieses Feeling, diese Gefühle, einfach herrlich! So hat Gott uns zu sich gezogen. Er hat uns gelockt. Er hat gezeigt, wie beglückend Er ist. Daran halten wir uns gern fest - wie Süchtige. Doch Sucht befreit nie. Gott will uns viel mehr schenken als begeisternde Gefühle. Er will uns die Fülle der Freiheit, des Glücks schenken. Der Weg dazu geht nur übers Loslassen der schönen Gefühle, eben über Entwöhnung.

    Viele scheitern, weil sie wie Süchtige an diesem Punkt stehen bleiben. «Aber ich fühle ja nichts mehr, also ist Gott nicht mehr da. Also bringt es nichts.» Wir müssen lernen, Trockenheit und Dürre auszuhalten.
    Wir müssen lernen, auch dann treu den Weg mit Gott und den Menschen weiterzugehen, wenn nichts mehr mitschwingt, wenn es mir auf dieser Gefühlsebene nichts mehr einbringt, wenn es nur noch mühsam und dunkel ist; eben Nacht in der Wüste.
    Da ist es gut, Menschen zu haben, die mir beistehen, denn die Gefahr ist gross, zu denken: «Ich habe mich getäuscht, ich bin auf dem falschen Weg. Es bringt nichts mehr.» Da brauchen wir Menschen, die uns ermutigen: «Nein, du bist auf einem guten Weg. Du siehst den Weg nur nicht, weil es Nacht ist. Darum kannst du nicht einordnen, was passiert. Halte durch. Geh treu weiter. Die Nacht geht vorbei.»

    «Aktive Nacht» heisst: Es braucht von uns diese Treue, damit der Befreiungsweg weitergehen kann. Die aktive Nacht ist den Strapazen des Volkes Israel in der Wüste vergleichbar. Die Wüste war nicht das Ziel, sondern der Weg ins Gelobte Land. So gehen all diese «Nächte» vorbei, und was wir danach erleben, ist noch mehr Glück, ein noch besseres Leben.

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  • 100. Warum und wie bete ich? (Audio-Vortrag)

    Hören Sie dazu den 5. Vortrag aus dem Glaubenskurs «Alpha-Kurs für katholische Christen»

  • 101. Wachsen im Gebet (Audio-Vortrag)

    Beten ist Ausdruck unserer Beziehung zu Gott. Ob diese Beziehung wächst oder verkümmert, hängt wesentlich von uns ab. Dazu hören Sie hier einen Vortrag.