Fragen und Antworten zum Thema Ökumene und katholische Kirche

  • 1. Ist die Kirchenleitung nicht stur, wenn die gemeinsame Eucharistiefeier verboten ist? Weshalb ist die katholische Kirche nicht bereit dazu?

    Hier treffen verschiedene Glaubenstraditionen aufeinander. Während viele evangelische Kirchen das gemeinsame Abendmahl (Eucharistie) als ein Werkzeug betrachten, um die Einheit zu fördern, sieht die katholische Kirche die Eucharistie am Ende der Einheitsbestrebung. Auch Johannes Paul II. hielt eine ökumenische Eucharistiegemeinschaft für noch keinen verantwortbaren Weg, da diese den Blick für die leider noch bestehende Entfernung vom ökumenischen Ziel verschleiern könnte. Denn, wäre jetzt die gemeinsame Feier der Eucharistie möglich, dann könnten manche darin bereits die Erfüllung des Zieles sehen. Doch der eigentliche Anstoss besteht nicht nur darin, dass wir noch nicht gemeinsam die Eucharistie feiern können, sondern dass wir als Gläubige nach wie vor gespalten sind.

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  • 2. Wie wird die Wiederherstellung der Einheit der Kirche geschehen können?

    Das Zweite Vatikanische Konzil rief alle katholischen Gläubigen dazu auf, für die Wiederherstellung der Einheit der Kirche zu beten und zu arbeiten. Ökumene ist Pflicht für alle, auch heute, wo manche unter Rückschlägen und Enttäuschungen leiden. Denn in der Ökumene steht nicht nur die Glaubwürdigkeit, sondern die Verwirklichung der Sendung der Kirche auf dem Spiel.

    Die katholische Kirche sieht diese Trennung im Leib Christi als objektiv sündig an. So lehrt das Zweite Vatikanische Konzil: «Eine solche Spaltung widerspricht aber ganz offenbar dem Willen Christi, sie ist ein Ärgernis für die Welt und ein Schaden für die heilige Sache der Verkündigung des Evangeliums vor allen Geschöpfen.» (Dekret über den Ökumenismus Nr. 3)

    Die Überwindung der Spaltung geschieht nicht durch eigenmächtiges Handeln einzelner Gruppen oder Gemeinden. Ungehorsam bewirkt keine Einheit, vielmehr erzeugt er neue Spaltungen. Gespräche zwischen den Kirchen und Konfessionen sind von grösster Wichtigkeit. Denn die historische und theologische Aufdeckung der Beweggründe sowie die wahren Anliegen aller Seiten, die zur Trennung führten, können helfen, das «goldene Korn» in der Tradition und im Verhalten der anderen zu entdecken. Das wohlwollende Kennenlernen der anderen Traditionen kann helfen, die Einigkeit vorzubereiten.

    Dies allein wird noch nicht genügen. Denn Einmütigkeit entsteht nur dann, wenn wir aufhören, auf uns selbst zu blicken. Das Wunder der Einheit wird erst dann möglich, wenn alle nach den Interessen Gottes fragen. Was will Gott – jetzt und heute von uns?
    Den Willen Gottes zu erkennen, setzt immer wieder neu Umkehr voraus. Umkehr ist nicht immer nur ein freudiger, nein, oft auch ein schmerzlicher Prozess. Denn oft müssen wir unsere eigene Enge öffnen und eigene Fehler, Vorurteile und Einseitigkeiten zugeben. So gibt es ohne Bekehrung keine echte Ökumene. Diese Bekehrung des Herzens und die Heiligkeit des Lebens ist in Verbindung mit dem privaten und öffentlichen Gebet für die Einheit der Christen als Seele der ganzen ökumenischen Bewegung anzusehen; sie kann mit Recht geistlicher Ökumenismus genannt werden. (Dekret über den Ökumenismus Nr. 8)

    Ein wichtiger Schritt besteht darin die Geschwister im Herrn zu lieben. In einer Familie sind einem normalerweise nicht alle gleich sympathisch – und doch gehört man zusammen. So gehören alle Menschen, die mit Jesus leben, mit all ihren Verschiedenheiten und Vorbehalten zu der einen Familie Gottes. Denn sie haben den gleichen Gott als Vater, den gleichen Jesus Christus als Erlöser und in ihnen wohnt der gleiche Heilige Geist.

    Echter Familiensinn zeigt sich darin, dass wir uns gegenseitig mit unseren Eigen- und Besonderheiten achten und zwar so, wie jede Person selbst respektiert und geschätzt werden möchte. Für die Kirchen heisst das: Wir wollen die jeweiligen Gläubigen und ihre Kirchen so annehmen und in ihren Traditionen respektieren, wie diese es wünschen.

    Familiensinn führt in eine neue weite Sichtweise hinein. Ich (als Schwester oder Bruder) betrachte mich nicht als Zentrum und urteile nicht nur aus meiner Sicht. Ich versetze mich vielmehr in die Situation der Eltern und versuche, aus ihrem Blickwinkel das Miteinander der Geschwister zu beurteilen.
    Franziskus sagte: «Gesegnet ist der Mensch, der über das Gute frohlockt, das Gott durch andere bewirkt, als ob er es durch ihn bewirkt hätte.» Wir können sagen: Gesegnet ist derjenige, der über das Gute, das Gott in anderen Konfessionen bewirkt, frohlockt, so wie er sich über das Gute in der eigenen Kirche freut. In dieser Haltung des Wohlwollens versuchen wir einander zu verstehen und dort, wo das gegenseitige Verständnis auf Grenzen stösst, einander zu respektieren. Wir werden nicht immer übereinstimmen, aber wir nehmen an, dass alle Irrtümer, die wir im Leben oder der Lehre anderer Gläubigen wahrnehmen, «ehrliche» Irrtümer sind.

    Miteinander teilen – das gilt auch für die Zukunft der Ökumene. Von diesem Weg, den er in der eucharistischen Ökumene vorschlägt, spricht P. Raniero Cantalamessa: «Es geht nicht darum, über wirklich vorhandene Unterschiede hinwegzugehen oder in irgendeinem Punkt von der authentischen katholischen Lehre abzurücken. Es geht vielmehr darum, alle positiven Aspekte und alle wirklichen Werte, die in jeder der einzelnen Traditionen vorhanden sind, zusammenzutragen zu einer «Masse» an gemeinsamer Wahrheit, die uns sodann allmählich zur Einheit hinführen wird. Die Synthese ist es, die wir zustande bringen müssen; wir müssen die grossen christlichen Traditionen gleichsam durch ein Sieb schütten und von jeder, wie uns der Apostel ermahnt, «das Gute behalten» (vgl. 1 Thess 5,21). Und dieser Vorgang des Zusammentragens wird dazu führen, dass das, was von Gott ist, sich anhäuft, während das, was vom Menschen ist, verschwindet.» (Vgl.: Raniero Cantalamessa , Die Eucharistie – unsere Heiligung, S. 141.)

    Gott kann, was wir nicht können! Deshalb wird, wie Jesus um die Einheit gebetet hat, ein wesentlicher Schritt das Gebet sein. Aus dem Gebet schöpfen wir die Kraft, auch in Schwierigkeiten und Gegenwind weiterzugehen. Die Kirche erhält ihre volle Kraft in der wachsenden Einheit. In dieser Einheit kann sie der heutigen Bedrohung des Glaubens durch die säkulare Gesellschaft und dem wachsenden Einfluss anderer Religionen, insbesondere des Islam, entgegenwirken. In dieser Einheit wird sie die Herrlichkeit Jesu Christi heute in der Welt offenbaren können.

    Dazu braucht es mutige Schritte zur Überwindung von Festgefahrenem. Es braucht das Hören auf die Vision Gottes, die Petrus über seine Grenzen hinausführte (vgl. Apg 10,9-23a). Es braucht Zeugen, die vorangehen. Ein solcher Zeuge war der deutsche Pfarrer Josef Thomé (1891 –1980), der 1940 (!!!) folgende zehn Ratschläge zur Überwindung der Kluft zwischen den christlichen Konfessionen gab:
    1. Schaue zuerst auf die reiche Fülle dessen, was die Konfessionen an wertvollem Gut gemeinsam        haben.
    2. Sieh zu, ob das Unterscheidende nicht vielleicht geschichtlich bedingt ist und im Fluss der weiteren geschichtlichen Entwicklung zum Zusammenklang geführt werden kann.
    3. Kämpfe nicht gegen die anderen Konfessionen, aber wetteifere mit ihnen im Glauben und in der Liebe!
    4. Kämpfe gegen das pharisäisch satte Behagen in den eigenen Reihen.
    5. Habe Ehrfurcht vor den anderen Konfessionen, auch wenn du dies oder jenes in ihnen nicht verstehst.
    6. Vergleiche Ideal mit Ideal und Wirklichkeit mit Wirklichkeit.
    7. Suche die Schuld der Trennung zuerst bei dir und deiner eigenen Konfession, und zwar die geschichtliche wie auch die heutige Schuld. Wenn du aber die Spaltung verhärten willst, dann stell deine Forderungen zuerst an die anderen.
    8. Versuche nicht zuerst die anderen zu bekehren, sondern bekehre dich selbst. In dem Maße, als du dich selbst änderst, änderst du auch die anderen.
    9. Sprich nicht von Rückkehr der anderen Konfession, sondern erwarte die Überbrückung der Spaltung von einem Vorwärts, von der Reifung und dem Wachstum aller Konfessionen.
    10. Lerne die anderen Konfessionen kennen durch persönliche Begegnung und durch ihr Schrifttum.

    Im Übrigen aber empfehlen wir die Überwindung der Glaubensspaltung dem Herrn der Geschichte: ER möge uns die Gabe der Einheit schenken - so wenig wir dabei auch unsere eigene Bemühung vergessen wollen.

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  • 3. Weshalb beten wir im Credo: Ich glaube … die katholische Kirche? Sollte man dies im Sinne der Ökumene nicht ändern oder weglassen?

    Wenn wir jemanden fragen: Bist du katholisch? Dann meinen wir meistens römisch-katholisch. Doch hier im Credo meint katholisch nicht römisch-katholisch, denn zur Zeit der Entstehung des Credo gab es noch gar keine verschiedenen Kirchen oder Konfessionen. Mit katholisch sind hier alle Getauften gemeint.

    Katholisch heisst wörtlich (vom Griechischen katholon) allgemein, allumfassend, alles einschliessend, ganz, vollständig. Katholisch bedeutet die ganze weltweite und universale Kirche, welche den ganzen, wahren und echten Glauben verkündet.

    Die Kirche ist katholisch, weil sie erstens ganz und weit ist, indem sie alle einschliesst, die Jesus Christus nachfolgen. In ihr haben alle Sprachen und Kulturen Platz. Zu dieser Weite gehört auch, dass in dieser Kirche alle sozialen und kulturellen Schichten durch alle Zeiten Platz haben. Katholisches Denken ist so umfassend, dass es die ganze Menschheit mit ihren Problemen mit einbezieht.

    Zweitens ist die Kirche katholisch, weil Jesus Christus in ihr ist und ihr die ganze Fülle geschenkt hat. Denn die Kirche «ist sein Leib und wird von ihm erfüllt, der das All ganz und gar beherrscht» (Eph 1,23). Alles, was Christus hat, hat Er Seiner Kirche, Seiner Braut geschenkt. Die Kirche verkündet und bewahrt den ganzen, wahren und echten Glauben.

    Auch wenn sich die römisch-katholische Kirche als die Kirche versteht, in der die ganze Fülle Jesu Christi verwirklicht ist (vgl. Dogmatische Konstitution über die Kirche, Nr.10), zeigt sich die ganze Fülle im Leben und in den Charismen der vielen Kirchen. So schreibt Daniel-Ange: «Ich kann so viel empfangen ... von den Protestanten: ihre Liebe zum Wort und den Sinn für soziales Engagement; von den Evangelikalen: ihre Energie für die Evangelisation und ihre Ablehnung jeden Kompromisses mit dem sie umgebenden Heidentum; von den Orthodoxen: ihre monastische Spiritualität, ihre Liebe zur Tradition und den Glanz ihrer göttlichen Liturgie; von den Katholiken: die Treue zu Petrus, die Eucharistie im Alltag.» (Vgl.: Daniel Ange, Die Kirche meine Freude. S. 99,100)

    Wenn wir sehen, was der Heilige Geist an Grossartigem und Gnadenvollen auch ausserhalb unserer Kirche wirkt, dann dürfen wir uns darüber freuen und Gott dafür danken. Es sind unsere Geschwister, durch die Gott wirkt. Wir gehören zusammen in der grossen allumfassenden Kirche, die das Credo katholische Kirche nennt.

    Drittens bedeutet katholisch für die Kirche, ihre missionarische Dimension zu leben. Die Kirche «ist katholisch, weil sie von Christus zum ganzen Menschengeschlecht gesandt worden ist» (vgl. Mt 28,29) (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 831). Sie will allen Menschen und allen Kulturen die Möglichkeit bieten, Jesus Christus, das Heil der Welt, kennen zu lernen.

    Reformatorische Kirchen haben das Wort katholisch aus dem Credo gestrichen und dahingehend abgeändert haben, dass sie statt von der katholischen von der allgemeinen oder christlichen Kirche sprechen. Wenn die reformierten Christen im Credo die ursprüngliche Bezeichnung katholische Kirche weiterhin bekennen würden, dann wäre es offensichtlich, dass katholisch und römisch-katholisch nicht deckungsgleich sind.

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  • 4. Gemeinsam vorwärts gehen!

    Ein jüdischer Reiseleiter in Israel beeindruckte durch seine Kenntnis des Neuen Testamentes so sehr, dass man ihn fragte: „Wenn Sie sich dort besser als viele Christen auskennen, warum werden Sie eigentlich kein Christ?“ Und seine Antwort: „Was sollte ich denn werden? Es gibt über 500 verschiedene christliche Konfessionen, die sich teilweise auch noch bekämpfen, indem sie sich gegenseitig absprechen, die Wahrheit über Jesus zu verkünden!“ Damit hat der Jude eines der wesentlichsten Hindernisse beschrieben, warum nicht mehr Menschen Christen werden.

    Um die Überwindung dieses Hindernisses hat bereits Jesus gebetet: „Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast“ (Joh 17,21). „Damit die Welt glaubt …“ Wie kann diese Einheit wachsen? Wie können wir gemeinsam vorwärts gehen!

    Die historische und theologische Aufdeckung der Beweggründe, sowie die wahren Anliegen aller Seiten, die zur Trennung führten, können helfen, das „goldene Korn“ in der Tradition und im Verhalten der Anderen zu entdecken. In der Haltung des Wohlwollens werden wir zudem einander besser verstehen und dort, wo das gegenseitige Verständnis auf Grenzen stösst, einander respektieren. Wir werden nicht immer übereinstimmen, aber wir nehmen an, dass alle Irrtümer, die wir im Leben oder der Lehre anderer Gläubigen wahrnehmen, „ehrliche“ Irrtümer sind, auch wenn sie Folge von menschlicher Schwachheit und Sünde sind. 
    Dies allein genügt nicht. Der Herr lädt uns in der heutigen Situation ein, unser Herz neu füreinander zu öffnen, Seine Liebe für alle unsere Glaubensgeschwister zu empfangen und den Blick auf Ihn zu richten: Was liegt Dir heute am Herzen? 

    Ein Blick auf unsere gesellschaftliche Situation zeigt: Wir stehen als Christen im deutschen Sprachraum und insgesamt im Westen vor grossen Herausforderungen, die wir nur noch gemeinsam bewältigen können. Denn neben einer wachsenden Islamisierung stehen wir einer kämpferischen Säkularisierung gegenüber. Wir können es uns heute nicht mehr leisten, den Kopf in den Sand zu stecken, uns nur auf die eigenen vier „christlichen Wände“ zu beschränken oder uns gar noch auf Graben- und Konkurrenzkämpfe zu konzentrieren. 

    Heute geht es zuerst und radikal um Jesus Christus in einer Gesellschaft, die Ihn immer mehr einfach ignoriert und dessen Position und Wahrheit manchmal in den Volkskirchen verwässert und verleugnet wird. Im Einstehen, Bezeugen und Leiden für Jesus Christus und die Wahrheit des Evangeliums werden wir uns gegenseitig in Zukunft noch mehr „brauchen“, um Gottes Plänen so effizient zu dienen, wie der Herr es möchte.

    Überheblichkeit und Feindschaft beenden
    Eine Mutter und ein Vater lieben alle ihre Kinder. Sie wollen für alle das Beste. Sie wollen den Segen und das Wohlergehen für alle ihre Kinder. Das gilt erst recht für den himmlischen Vater. Sein Wunsch ist, dass all Seine Kinder einander in ihrer Eigenart und Besonderheit schätzen. Wenn jedoch unter den Gläubigen der verschiedenen Kirchen Rechthaberei, Streit und Verurteilung der Anderen herrschen, ist es als würden wir Ihm sagen: „Entscheide Dich entweder für sie oder für uns!“ Doch wir dürfen einen Vater oder eine Mutter nicht in die grausame Lage bringen, aus ihren verschiedenen Kindern wählen zu müssen!

    Da ruft uns der Herr zu einer grösseren Sichtweise auf, nämlich zum Blick aus Seinem Herzen. Dann können wir unsere Enge und unser Kreisen um uns selbst erkennen. Denn nur zu schnell graben wir uns ein in Festlegungen, Vorurteilen und fühlen uns überlegen, besser als die Anderen. Da ist Umkehr angesagt, was immer ein Stück demütigend ist. Denn oft müssen wir unsere eigene Enge öffnen und eigene Fehler, Vorurteile und Einseitigkeiten zugeben. Umkehr führt uns alle zum „Ort der Versöhnung“, zum Kreuz. Denn der Vater „stiftet Frieden und versöhnte die beiden (Teile, Juden und Christen) durch das Kreuz mit Gott in einem einzigen Leib. Er hat in seiner Person die Feindschaft getötet“ (Eph 2,15b-16). Nicht der Gegner muss überwunden oder besiegt werden, sondern die Feindschaft. Die Feindschaft muss zuerst in uns überwunden werden. Vorurteile, gegenseitige Verdächtigungen und Ängste, aber auch Überheblichkeit und Rechthaberei gilt es im eigenen Herzen zu entdecken. 

    Ein ermutigendes Zeichen ist das Netzwerk „Miteinander für Europa“, das sich seit 1999 in Europa ausbreitet. In Deutschland sind inzwischen über 200 christliche Bewegungen, Gemeinschaften und Kommunitäten von katholischen, evangelisch-lutherischen und evangelisch-reformierten, orthodoxen, anglikanischen und freikirchlichen Christen miteinander auf dem Weg. Sie leben aus einem „Bündnis der gegenseitigen Liebe“ im Sinne der Worte Jesu: „Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben" (Joh 13,34): „Unser gemeinsamer Weg hat damit begonnen, einander zu vergeben, wo wir und auch unsere Kirchen aneinander schuldig geworden sind. Wir haben bewusste Schuld voreinander ausgesprochen, um Vergebung gebeten und den Zuspruch der Vergebung empfangen. Diese Versöhnung verbindet uns und macht das Bündnis der Liebe tragfähig. Unser gemeinsamer Weg lässt tiefe Freundschaften wachsen. Im Miteinander der Kirchen achten wir noch bestehende Grenzen, arbeiten aber als Freunde an ihrer Überwindung.“ (www.miteinander-wie-sonst.org)

    Papst Franziskus hat am 28. Juli 2014 beim Besuch des Pastors der pfingstkirchlichen Versöhnungsgemeinde in Caserta (Neapel) Giovanni Traettino, die pfingstkirchlichen Christen um Vergebung gebeten für die Fehler, die katholische Gläubige ihnen gegenüber begangen haben.1) Diese Bitte erfolgte, obwohl grosse Teile „Roms“ noch vor kurzem die Pfingstler als Sektierer bezeichneten, und umgekehrt für viele Pfingstkreise der Vatikan bis heute ein Sektenzentrum darstellt. Wir schliessen uns dieser Bitte um Vergebung an, denn wir leiden darunter, dass (einige) katholische Christen und auch Amtsträger von unserer Kirche Freikirchen immer noch als „Sekten“ bezeichnen anstatt sie als Geschwister im Herrn zu begrüssen und willkommen zu heissen. 

    Erst, wenn wir einander als Geschwister annehmen und schätzen, können wir erkennen, welche Geschenke uns der Herr durch sie geben will: „So zahlreich und so kostbar sind die Dinge, die uns verbinden! Und wenn wir wirklich an das freie und großherzige Handeln des Geistes glauben, wie viele Dinge können wir voneinander lernen! Es handelt sich nicht nur darum, Informationen über die anderen zu erhalten, um sie besser kennen zu lernen, sondern darum, das, was der Geist bei ihnen gesät hat, als ein Geschenk aufzunehmen, das auch für uns bestimmt ist.“ (Papst Franziskus in Evangelii Gaudium: EG 246)
     
    Die gemeinsame Sendung leben
    Gott schafft immer wieder Überraschendes durch Menschen, die für Seine Neuheit offen sind. Dazu braucht es ein gehorsames Herz und mutige Schritte zur Überwindung von Festgefahrenem. Gleichzeitig können Ängste aufkommen und manches in uns kann sich sträuben. Das zeigt uns auch Petrus, den der Herr über seine Grenzen, die er für unüberwindbar hielt, hinausführte (vgl. Apg 10,9-23a). 

    Solch mutige Schritte geht Papst Franziskus, der zu einer neuen Etappe der Zusammenarbeit mit allen Christen, besonders auch mit den Evangelikalen, aufgerufen hat. Er erhofft sich eine „neue Etappe in den Beziehungen zwischen Katholiken und Evangelikalen“, damit katholische und evangelikale Gläubige gemeinsam auf bessere Weise den Auftrag erfüllen können, die Frohe Botschaft bis an die äussersten Grenzen der Welt zu tragen. Denn die „riesige Menge derer, die die Verkündigung Jesu Christi nicht angenommen haben, kann uns nicht gleichgültig lassen.“ (EG 246)

    Für diese Sendung braucht der Herr alle Christen mit den je unterschiedlichen Gaben und Charismen. Im Miteinander wird sich die Kraft der Kirche multiplizieren. Durch die gegenseitigen Liebe wird die Kirche an Ausstrahlung gewinnen. Denn darin wird die bleibende Herrlichkeit Jesu Christi sichtbar, gerade auch für die Menschen von heute. So ergeht an uns die Einladung, über alles Unterschiedliche hinweg, gemeinsam auf Jesus zu schauen und gemeinsam vorwärts zu gehen, so wie Er uns heute führen möchte.

    1) In der Vorbereitung auf die Feier des grossen Jubiläums im Jahr 2000 hat Papst Johannes Paul II. hundertfünfzig verschiedene Vergebungsbitten ausgesprochen: „Verzeiht uns, ihr orthodoxen Geschwister. Verzeiht uns, ihr protestantischen Geschwister. Verzeiht uns all das Leid, das wir euch im Lauf der Geschichte zugefügt haben. Verzeiht uns all unsere Treulosigkeiten. … Verzeiht uns!“

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  • 5. Was bedeutet der Fisch als Aufkleber beim Auto? Was hat er mit der Ökumene zu tun?

    Der Fisch war das erste Zeichen für die Christen, weil die griechischen Anfangsbuchstaben des Wortes Fisch (Ichtys) als Abkürzung für «Jesus Christus, Sohn Gottes und Retter» stehen. Das Kreuz wurde erst Jahrhunderte später langsam zum Zeichen für Christus und zum Kennzeichen der Christen.

    Wenn Menschen hinten beim Auto ein Fischzeichen aufgeklebt haben, handelt es sich nicht um einen Fischereiclub, sondern um ein Bekenntnis zu Jesus Christus. Viele Mitglieder von Freikirchen, aber auch entschiedene Gläubige aus der katholischen und evangelischen Kirche, haben dieses Symbol an ihrem Auto.

    In diesem Zusammenhang spricht man heute auch vom Ökumenismus des Glaubens. Dieser schliesst alle ein, die glauben, dass Jesus Christus der Sohn Gottes und der einzige Herr und Erlöser ist und alle, die Gott als den Dreifaltigen bekennen: den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist. Diese Sicht lässt erkennen, dass nicht nur katholische, evangelische, orthodoxe und anglikanische Gläubige, also die so genannten Volkskirchen, sondern auch Freikirchen zum Volk Gottes gehören.

    Freikirchen zeichnen sich dadurch aus, dass ihre Mitglieder sich frei für Jesus Christus und für diese Kirche durch die Erwachsenentaufe entscheiden. Diese Entscheidung führt zu einem entschiedenen und meist auch bekennenden Christentum.
    Es gibt verschiedene Freikirchen, offene und engere, so wie auch innerhalb unserer Kirche verschiedene Richtungen anzutreffen sind. Aus Unkenntnis werden manchmal Mitglieder dieser Kirchen von katholischen Gläubigen Kirchen als Sektenmitglieder bezeichnet. Hier ist Aufklärung und ein Denken, das sich an Jesus Christus orientiert, ganz wichtig. Sonst gefährden wir die Einheit, indem wir Menschen, die die Kirche als Brüder und Schwestern bezeichnet, engherzig ausschliessen. Denn das Zweite Vatikanische Konzil lehrt im Dekret über den Ökumenismus, dass die anderen Christen «durch den Glauben in der Taufe gerechtfertigt und Christus eingegliedert sind, darum gebührt ihnen der Ehrenname des Christen, und mit Recht werden sie von den Söhnen der katholischen Kirche als Brüder im Herrn anerkannt» (Nr. 3).

    Papst Johannes Paul II. hat im Verlauf seiner Amtszeit viele Zeichen des Miteinanders aller Christen gesetzt.  So hat er bereits 1990 seinen Prediger, Pater Raniero Cantalamessa, zu einem internationalen Treffen der «Pfingstkirche», nach Emmeten in die Schweiz geschickt. Dort überbrachte P. Cantalamessa dieser grossen, stetig wachsenden Freikirche den Brudergruss.

    Im Juli 2014 predigte Papst Franziskus nahe bei Neapel in einer Pfingstkirche. Dabei bat er als «Hirte der Katholiken» für jene unter seinen «Schafen», die Pfingstler verurteilt haben, öffentlich um Vergebung. Die Bitte erfolgte, obwohl sowohl grosse Teile «Roms» noch vor kurzem die Pfingstler als Sektierer bezeichneten, als auch umgekehrt viele Pfingstkreise den Vatikan als Sektenzentrum anschauen.

    Damit nimmt Papst Franziskus auf die derzeitige Situation der Christenheit Rücksicht. Heute gehören über 20% der Christen zu Freikirchen, mehr als zur Orthodoxen und Anglikanischen Kirche zusammen. Die Freikirchen wachsen weltweit am weitaus schnellsten. Zur Ökumene gehört heute, unserer Geschwister in den Freikirchen miteinzubeziehen.

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  • 6. «Sola scriptura» – «allein die Schrift» hat Luther in der Reformation proklamiert. Was bedeutet dies (inhaltlich)? Wie kam es dazu? Wie steht die katholische Kirche zu dieser These?

    Das Verhältnis von „Heiliger Schrift“ und „Tradition“ war im 16. Jahrhundert Gegenstand heftiger Auseinandersetzungen. In einem Streitgespräch zwischen Martin Luther und Johannes Eck (der so genannten Leipziger Disputation vom 27. Juni bis 16. Juli 1519) vertrat Luther die Auffassung, dass die Konzilien irren könnten. Als alleinige Quelle und Richtschnur des Glaubens sei „allein die Schrift“ (lat. sola scriptura), also die Bibel anzusehen. Da die Schrift in sich – so Luther – ganz klar sei, würde sie sich selbst auslegen. Deshalb braucht es nach Ansicht des Reformators kein kirchliches Lehramt, das die Heilige Schrift verbindlich auslegt.

    Erasmus von Rotterdam kritisierte damals: Die Selbstsicherheit, mit denen die Reformatoren auftreten und die Schriftdeutung der Kirchenväter beiseite schieben, stehe im merkwürdigen Gegensatz zu Unstimmigkeiten und unterschiedlichen Schriftauslegungen im Lager der Reformatoren. Demnach könne der Sinn der Schrift doch nicht so klar sein, wie man behaupte.
    Das Trienter Konzil (1545 – 1563) griff einerseits berechtigte Anliegen der Reformatoren auf: Nur jene Traditionen wurden nach dem Konzil glaubensverbindlich, welche die Apostel von Jesus Christus empfangen haben und die von den Aposteln bis zu uns gekommen sind. Alle rein menschlichen Traditionen waren damit ausgeschlossen.
    Zugleich setzte das Trienter Konzil dem reformatorischen „allein die Schrift“ ein „und“ dazu. Das Konzil formulierte, das wahre Evangelium sei „in geschriebenen Büchern und ungeschriebenen Überlieferungen“ enthalten. Beide seien „mit gleicher frommer Bereitschaft und Ehrfurcht anzuerkennen und zu verehren“ (DS 1501, Nr. 87-88).
    Man braucht dieses „und“ nicht in dem Sinne zu verstehen, als sei die Wahrheit des Evangeliums teils in der Bibel und teils in der Überlieferung enthalten. Grosse Theologen erklärten dies so: Die Heilige Schrift enthält in der Substanz den ganzen Glauben. Nur aber kann dieser in seiner Gesamtheit und Fülle allein im Licht der Tradition erfasst werden.
    Entsprechend lehrt das Zweite Vatikanische Konzil: Die Kirche schöpft „ihre Gewissheit nicht aus der Heiligen Schrift allein“ (Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung, Nr. 9).
    Auch die Bibel selbst – dies ist inzwischen ökumenischer Konsens – ist das Ergebnis verschiedener Traditionen und Schulen der frühen Kirche.
    Die lebendigen Traditionen des Glaubenslebens sind wie ein „Verständnis-Schlüssel“ zur Bibel. Sie berücksichtigen, dass es einen Erkenntnisfortschritt im Umgang mit der Bibel geben kann und neue Fragen nicht immer mit alten Antworten geklärt werden können. Es kann sehr wohl Neues gefunden werden, das im Einklang mit dem Alten steht. So lebt die Bibel nicht nur in geschriebenen Worten, sondern in Menschen weiter, die die christliche Botschaft in ihrem Herzen tragen und aus diesem Geist heraus leben.

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  • 100. Katholische Kirche und Ökumene (Audio-Vortrag)

    Hören Sie hier den Vortrag «Katholische Kirche und Ökumene»